Die Diagnose Hirntumor schlägt ein wie der Blitz aus heiterem Himmel. Plötzlich wird Zeit zum alles entscheidenden Faktor. Besonders bei schnell wachsenden Tumoren wie Astrozytomen oder Glioblastomen ist rasches, entschiedenes Handeln gefragt. Welche Anzeichen können auf einen Hirntumor hinweisen? Prof. Martin Glas Zu den Symptomen gehören unter anderem epileptische Anfälle, Kopfschmerzen, Lähmungen, Sprachstörungen oder Wesensänderungen. Aber: Sie können auch Anzeichen einer anderen neurologischen Erkrankung sein, zum Beispiel eines Schlaganfalls. Auf jeden Fall sollten Sie beim Auftreten solcher Symptome umgehend einen Neurologen aufsuchen. Gibt es eine Früherkennungsuntersuchung für Hirntumore? Priv.-Doz. Dr. David Kaul Nein, denn Hirntumore sind im Vergleich zu Brust-, Darm- oder Prostatakrebs seltener. Vorsorgeuntersuchungen kommen in erster Linie bei häufigen Tumoren zum Tragen, beziehungsweise wenn bei Patienten erkennbare Risikofaktoren für eine bestimmte Krebssorte vorliegen. Bei sekundären Hirntumoren, also Hirnmetastasen, kann eine Vorsorgeuntersuchung des Gehirns Teil der Verlaufskontrollen bei einer bereits bestehenden Krebserkrankung sein. Muss ein Hirntumor immer operativ entfernt werden? Dr. Stefanie Brehmer Nicht zwingend. In manchen Fällen wird eine Operation nur zum Zweck der Diagnosesicherung durchgeführt. Den größten Stellenwert hat die Operation dort, wo ein Tumor vollständig entfernt werden kann, ohne dass der Patient ein permanentes neurologisches Defizit zurückbehält. Grundsätzlich kann man sagen, dass eine Operation neben der reinen Diagnosesicherung immer dann sinnvoll ist, wenn sie die Lebensqualität und die Gesamtprognose des Patienten verbessern kann. Wann kommt eine Chemotherapie in Betracht, wann eine Bestrahlung? Priv.-Doz. Dr. David Kaul Das kommt darauf an, um was für einen Tumor es sich handelt. Insgesamt kann man sagen: Je aggressiver der Tumor, desto aggressiver die Therapie. Gutartige Tumoren können oft mit einer alleinigen Operation geheilt werden. Sehr bösartige Tumoren müssen operiert, bestrahlt und mit einer Chemotherapie behandelt werden. Ist die Strahlentherapie wegen ihrer lokalen Wirkung der Chemotherapie vorzuziehen? Prof. Martin Glas Nein, beide Therapien arbeiten Hand in Hand zusammen. Eine Vielzahl von Hirntumoren und fast alle bösartigen Gliome werden radiochemotherapeutisch behandelt. Gerade bei den in das gesunde umgebende Gewebe hineinwachsenden Gliomen ist das Problem der Erkrankung eben nicht nur ein rein lokales. Die Kombination aus der lokal wirkenden Strahlentherapie und der systemisch wirkenden Chemotherapie kann daher sehr sinnvoll sein. Welche Rolle spielt die Tumorkonferenz bei der Therapiefindung? Dr. Stefanie Brehmer Die Tumorkonferenz ist das Forum, in dem die interdisziplinäre Expertise der beteiligten Fachrichtungen in ein auf den Patienten zugeschnittenes individuelles Therapiekonzept mündet, das engmaschig kontrolliert und angepasst werden kann. Gerade bei vergleichsweise seltenen Erkrankungen wie einem Glioblastom kommt es darauf an, dass ein breites Spektrum von Spezialwissen und aktuellste Entwicklungen in die Therapie eingebracht werden. Warum sind Glioblastome so schwer zu behandeln? Dr. Stefanie Brehmer Das Glioblastom ist ein sehr „hartnäckiger“ Tumor. Er wächst in das ihn umgebende Hirngewebe ein, so dass auch in Bereichen Tumorzellen zu finden sind, in denen die Gehirnfunktionen intakt sind und in denen die Bildgebung kein offensichtliches Tumorwachstum zeigt. Außerdem weist ein Glioblastom eine sehr hohe Zellteilungsrate auf: Es kann binnen vier bis sechs Wochen auf die doppelte Größe anwachsen. Anders als bei Haut- oder Darmkrebs kann auch nicht mit ausreichend großem Sicherheitsabstand gesundes Gewebe entfernt werden. Die Experten:
• Prof. Dr. med. Martin Glas, Facharzt für Neurologie, Leiter der Abteilung Klinische Neuroonkologie, Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen • Priv.-Doz. Dr. med. David Kaul, Facharzt für Strahlentherapie, Oberarzt an der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie, Charité Berlin • Dr. med. Stefanie Brehmer, Fachärztin für Neurochirurgie, Oberärztin an der Klinik für Neurochirurgie, Universitätsmedizin Mannheim