
Kündigungsgrund: Beleidigung und Verleumdung
Stellt ein Arbeitnehmer ehrenrührige Behauptungen über Vorgesetzte und Kollegen auf, kann dies zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Allerdings sind stets die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Verleumdung Mit aktuellem Urteil vom 4.2.2014 hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg eine Kündigung wegen Verleumdung für gerechtfertigt gehalten. Dem Urteil lag ein Fall zugrunde, in dem eine Sekretärin gegen Mitarbeiter und vorgesetzte schwere Vorwürfe erhob. So erklärte sie u.a., es sei während des Dienstes zu Alkoholexzessen und sexuellen Handlungen gekommen. Nach der Vernehmung von Zeugen konnte das Gericht die erhobenen Vorwürfe nicht als zutreffend feststellen. Da die Klägerin somit die Kollegen zu Unrecht beschuldigt und dadurch ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend verletzt habe, sei die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber gerechtfertigt gewesen. Abmahnung grundsätzlich erforderlich Anders dagegen fiel die Entscheidung des hessischen LAG vom 05.04.2012 aus. In diesem Fall hatte ein Arbeitnehmer Strafanzeige gegen insgesamt sechs Mitarbeiter seines Arbeitgebers –darunter Vorgesetzte und ein Betriebsratsmitglied- wegen Beleidigung und Körperverletzung erstattet. Im Laufe des Ermittlungsverfahrens bezeichnete dieser Arbeitnehmer in mehreren Schreiben die Mitarbeiter u.a. als „Stasi“, „Paten“, „Psychoterrorist“, „hinterhältig“ und „niederträchtig“. Das Ermittlungsverfahren wurde nach ca. 1,5 Jahren eingestellt, da nach der Sach- und Beweislage nicht mit einer Verurteilung der Beschuldigten zu rechnen war. Aufgrund der von dem Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe sprach der Arbeitgeber eine fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Das hessische LAG hielt diese Kündigung allerdings nicht für gerechtfertigt. Denn ein Arbeitgeber sei zur Einhaltung des Verhaltensmäßigkeitsgrundsatzes verpflichtet. Vor dem Ausspruch einer Kündigung sei regelmäßig eine Abmahnung erforderlich. Diese sei nur entbehrlich, wenn objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich auch nach einer Abmahnung künftig nicht vertragstreu verhalten. Davon könne im Streitfall nicht ausgegangen werden, denn der Arbeitnehmer sei sich eines schwerwiegenden Unrechts anlässlich seiner Äußerungen offenbar nicht bewusst gewesen. Anderenfalls hätte er die Äußerungen nicht in einem Ermittlungsverfahren gegenüber der Staatsanwaltschaft abgegeben. Entscheidung des BAG Höchstrichterlich hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner Entscheidung vom 11.7.2013 ähnlich argumentiert. In diesem Fall war einem Flugkapitän u.a. gekündigt worden, weil er Strafanzeige gegen den Leiter Personal und Recht erstattet hatte und diesen der falschen Verdächtigung, des „Sozialbetruges“, „der Urkundenfälschung“, „der Anstiftung eines Mitarbeiters zur Falschaussage“, „der vorsätzlichen Körperverletzung“, „der Förderung schwerer Straftaten mit Flugzeugen“ und „der Vereitelung ihrer Strafverfolgung“ sowie „der vorsätzlichen Lufttransportgefährdung“ beschuldigt hatte. Das Ermittlungsverfahren gegen den Leiter Personal und Recht wurde eingestellt. Auch das BAG war der Auffassung, dass der Flugkapitän subjektiv tatsächlich von der Berechtigung seiner Anschuldigungen überzeugt gewesen sei. Dem Rechtsstreit vorausgegangen waren zahlreiche Kündigungen des Arbeitgebers vorwiegend wegen angeblichen Spesenbetruges und entsprechende Kündigungsschutzverfahren. Diese hatte der Flugkapitän gewonnen. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen hätte aufgrund der „bis zum Ausspruch des Kündigungsreigens“ beanstandungsfreien Dauer des Arbeitsverhältnisses von 14 Jahren zumindest eine Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung erfolgen müssen. Aufgrund der in jedem Einzelfall vorhandenen Besonderheiten sollte in Fällen einer Kündigung wegen Beleidigungen bzw. Verleumdungen eine rechtliche Würdigung durch einen kompetenten und erfahrenen Arbeitsrechtler erfolgen. Autor dieses Beitrags ist Dr. Jan-Freerk Müller aus der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Müller & Caspers in Westerstede. Er ist auch Fachanwalt für Arbeitsrecht mit den weiteren Tätigkeitsschwerpunkten Erbrecht, Privates Baurecht sowie Handels- u. Gesellschaftsrecht. kanzlei@mueller-caspers.de; Telefon: 04488 / 84 810.