Die fehlgeleitete Erbausschlagung
Erbausschlagung zur Steuerung des Nachlasses
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass eine Erbausschlagung in dem Irrglauben vorgenommen wird, dass hierdurch bestimmte andere Personen (beispielsweise Miterben) begünstigt werden. Tatsächlich bewirkt die Erbausschlagung allerdings den Anfall des Anteils des Ausschlagenden am Nachlass bei den testamentarisch bestimmten Ersatzerben oder aber bei denjenigen gesetzlichen Erben, die in Betracht kämen, wenn der Ausschlagende im Zeitpunkt des Erbfalls nicht gelebt hätte. Die Fehlvorstellung über die Wirkung der Ausschlagung zeigt sich regelmäßig dann, wenn der Erbschein anschließend nicht mit dem gewünschten Inhalt erteilt wird. In dieser Situation stellt sich sodann für den Ausschlagenden die Frage, ob die Ausschlagung angefochten werden kann, damit die unliebsame Rechtsfolge nicht eintritt. Eine Anfechtung ist nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches möglich, wenn eine bestimmte Erklärung durch einen Irrtum veranlasst worden ist. Allerdings berechtigt nicht jeglicher Irrtum zur Ausschlagung. Insoweit muss zwischen verschiedenen möglichen Irrtümern differenziert werden. Ein Anfechtungsgrund besteht sowohl bei einem Erklärungsirrtum (Irrtum in der Erklärungshandlung) als auch bei einem Inhaltsirrtum (Irrtum über den Inhalt der Erklärung). Als Inhaltsirrtum gilt auch der Rechtsfolgeirrtum, von dem auszugehen ist, wenn die Erklärungen nicht die damit bezwecken Rechtsfolgen erzielt. Umstritten ist, ob bei dem Irrtum über den Personenkreis, der von einer Ausschlagung begünstigt wird, von einem erheblichen Rechtsfolgeirrtum oder von einem unerheblichen Motivirrtum auszugehen ist. Letzterer (ein unerheblicher Motivirrtum) wäre anzunehmen, wenn man lediglich die Beseitigung des Erbanfalls als Rechtsfolge und die Begünstigung anderer Personen als Motiv ansehen würde. Die Rechtsprechung zu dieser Thematik ist noch nicht einheitlich. Das Kammergericht Berlin geht in einem Beschluss vom 11. Juli 2019 zu Aktenzeichen 19 W 50/19 insoweit von einem Motivirrtum aus, der nicht zu einer Anfechtung berechtigt. Ähnlich hat das OLG Schleswig in einem Beschluss vom 11. Mai 2005 zu Aktenzeichen 3 Wx 70/04 entschieden. Anders sehen es das OLG Düsseldorf (in einem Beschluss vom 12. März 2019 zu Aktenzeichen 3 Wx 166/17, allerdings außerhalb der Entscheidungsgründe) sowie das OLG Frankfurt (in einem Beschluss vom 06. Februar 2021 zu Aktenzeichen 21 W 167/20). Aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit sollte vor Abgabe einer Ausschlagungserklärung, die in notariell beglaubigter Form erfolgen muss, jedenfalls bei einem werthaltigen Nachlass in jedem Fall sorgfältig überprüft werden, wem die Ausschlagung zugutekommt. Eine Heilung durch spätere Anfechtung gilt als nicht gesichert.