Das Ehegatten-Testament – ein unliebsames „Vermächtnis“?
Anfechtungsmöglichkeiten, Risiken und deren mögliche Vermeidung bei gemeinschaftlichen Testamenten
Gemeinschaftliche Testamente entfalten regelmäßig eine Bindungswirkung – jedenfalls bezüglich der sogenannten „wechselbezüglichen Verfügungen“. Gemeinschaftliche Testamente kommen damit teilweise einem Vertrag gleich. Während zu Lebzeiten noch ein einseitiger Widerruf (unter Beachtung der notariellen Form) möglich ist, bleiben nach Eintritt des ersten Erbfalls für den überlebenden Ehegatten nur wenige Möglichkeiten, sich aus der Bindung zu lösen. Schwere Verfehlungen des Bedachten, die eine Aufhebung der Schlusserbeneinsetzung rechtfertigen, Verschwendungssucht oder Überschuldung der Schlusserben werden in den seltensten Fällen vorliegen. Zwar kann der Überlebende seine Verfügungen aufheben, wenn er das ihm Zugewandte ausschlägt; aufgrund der kurzen Ausschlagungsfrist kommt dies aber in der Praxis meist nicht in Betracht. Es bleibt schließlich die Anfechtung der eigenen Schlusserbeneinsetzung durch den Erblasser, die nicht nur für einen Erbvertrag, sondern nach allgemeiner Meinung auch für ein gemeinschaftliches Testament möglich ist. Die möglichen Anfechtungsgründe sind nach dem Gesetz genau festgelegt. Neben den allgemeinen Anfechtungsgründen des Irrtums, der Drohung oder der arglistigen Täuschung kommt im Erbrecht dem Aspekt der Übergehung einer pflichtteilsberechtigten Person (§ 2079 BGB) besondere Bedeutung zu. Nach der zitierten Vorschrift kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhanden Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung der Verfügung nicht bekannt war oder der erst nach der Errichtung geboren oder pflichtteilsberechtigt geworden ist. Der Tatbestand ist nicht nur bei dem nachträglichen Bekanntwerden leiblicher Kinder erfüllt, sondern auch, wenn der Erblasser wieder heiratet. Die Selbstanfechtung kommt außerdem infrage, wenn aus der neuen Ehe Kinder hervorgegangen sind oder nach dem ersten Erbfall ein Kind adoptiert wird. Im Falle der Adoption streitet man sich darüber, ob diese als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann; in der Praxis kann der Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit regelmäßig durch die sorgfältige Prüfung der Adoptionsvoraussetzungen ausgeschlossen werden. Rechtsfolge der Selbstanfechtung ist die Unwirksamkeit des gesamten gemeinschaftlichen Testamentes. Es entfällt nicht nur die Schlusserbeneinsetzung (üblicherweise der gemeinsamen Kinder), sondern auch die Erbeinsetzung des längerlebenden Ehegatten durch den Erstverstorbenen. Insoweit könnte man auf die Idee kommen, dass die gesetzliche Erbfolge nach dem Erstverstorbenen eintritt. Dabei wird allerdings übersehen, dass die Schlusserbeneinsetzung aus der Sicht des zuerst verstorbenen Ehegatten eine Ersatzerbeinsetzung der Kinder für den Fall des Vorversterbens des anderen Ehegatten beinhaltet. Daher wird die Auslegung des Gemeinschaften Testaments im Zweifel ergeben, dass mit der Schlusserbeneinsetzung der Kinder auch eine umfassende Ersatzerbeinsetzung für andere Wegfallgründe als die des Vorversterbens gewollt war. Somit erlangen die gemeinsamen Kinder anstelle des überlebenden Ehegatten den Nachlass des Erstversterbenden. Beseitig ung der Anfechtungsmöglich keit Eine Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Erblasser die Verfügung auch bei Kenntnis der zukünftigen Sachlage getroffen hätte (§ 2079 S. 2 BGB). Um daher im Verhältnis der Eheleute für die Zukunft jegliches Anfechtungsrisiko auszuschließen, empfiehlt es sich, in das gemeinschaftliche Testament einen Anfechtungsverzicht aufzunehmen. Das Risiko der Selbstanfechtung wie auch die Möglichkeit des Anfechtungsverzichts werden in der Praxis erfahrungsgemäß viel zu wenig beachtet.