
Ein Plädoyer für die Scheidungsmediation
Nach einer Trennung: Im Anfang werden die Weichen gestellt
Als glühende Verfechterin der Mediation und kann ich der Botschaft, den einvernehmlichen Weg jedenfalls ernsthaft zu versuchen, nur voller Überzeugung zustimmen. Eine Trennung, das ist eine Herausforderung und Grenzerfahrung auf unterschiedlichen Ebenen: Zunächst gilt es, die Phase des Ausnahmezustands nach einer frischen Trennung zu überwinden. In dieser Phase wird die Trennung oft als physischer Schmerz empfunden. Man sollte die Phase überwunden haben, wenn man sich in die Verhandlung der Trennungsfolgen begibt. Danach dominiert häufig die Gefühlsebene, in der die Enttäuschung, der Verlust, die Verletzung vorherrschen. So lange man auf dieser Ebene ist, ist sehr schwierig, auf sachlicher Ebene zu verhandeln. Man möchte zwar gern eine Klärung, schafft es aber nicht, auf der sachlichen Ebene zu bleiben. Dabei ist auf der finanziellen, existenziellen und rechtlichen Ebene so viel im Ungewissen: Wie geht es für mich weiter? Wo leben die Kinder? Wer bezahlt das Haus? Kann ich das überhaupt schaffen? Was muss ich zahlen, bzw, was steht mir zu? Verliere ich das Haus? Was wird mich eine streitige Scheidung kosten? Nun gibt es mehrere Möglichkeiten der Herangehensweise: man kann sich einen besonders scharfen Anwalt nehmen und versuchen, Maximalforderungen durchzusetzen. Oder aber: man versucht, sich zum Beispiel im Wege einer Scheidungsmediation ohne Gericht über die Scheidungsfolgen zu einigen. Ich kenne aus meiner Praxis beides, da ich sowohl als Fachanwältin für Familienrecht als auch als Mediatorin tätig bin. Die gerichtliche streitige Auseinandersetzung dauert oft Jahre, die Rechtsverhältnisse sind manchmal verstrickt und sehr kompliziert; viele Verfahren kosten zudem auch viel Geld- und wirken sich äußerst belastend auf die Psyche aus. Während dieser Zeit erhält man dauernd Post vom Anwalt, vom Gegenanwalt, vom Gericht. Fiese Schreiben, deren Inhalt man so nicht stehen lassen will. Einige Mandanten berichteten mir, sich nicht mehr zum Briefkasten getraut zu haben. Am Ende wird der Familienrichter vermutlich einen Kompromiss suchen und eine Mediation vorschlagen. Die Geschiedenen kriegen dann oft das gleiche, was sie von Anfang an hätten haben können, sind aber um einiges an Geld und vor allem Nerven ärmer. Denn häufig ist die streitige Auseinandersetzung über die Gerichte eine Plattform, um den Hass aneinander abzuarbeiten. Der andere Weg, der der Mediation, hat das Ziel, eine Einigung über die Trennungsfolgen herauszuarbeiten. Dies erfordert den festen und freien Willen beider Partner, sich einigen zu wollen- schon im Interesse der gemeinsamen Kinder, die sonst immer in Loyalitätskonflikte geraten und unter streitigen Trennungen zu leiden haben. In den Scheidungsmediationsgesprächen vermischen sich bei den Beteiligten auch oft die Gefühls- und die sachliche Ebene. Die Beteiligten kommen nach anfänglicher Zurückhaltung rasch an ihre Grenzen. Es ist die Aufgabe des Mediators, mit den Beteiligten ganz auf die sachliche Ebene zu kommen. Dies ist meist nur möglich, wenn die Gefühlsebene teilweise aufgearbeitet wird. Dann erst wird es möglich, Verständnis füreinander zu bekommen und auch sich gegenseitige Anerkennung auszusprechen. Hat man das geschafft, öffnen sich die Türen und die sachliche Auseinandersetzung ist möglich. In den meisten Fällen funktioniert das. Die Chancen einer erfolgreichen Mediation sind dabei besonders gut, wenn man frühzeitig mit der Mediation beginnt. Zu Beginn ist die Einigungsbereitsschaft erfahrungsgemäß am größten. Die Trennungsangelegenheit ist noch ein unbeschriebenes Blatt. Geht es erst in die streitige Auseinandersetzung, so kann sich eine Eskalierung durch wechselseitige Anwaltsschreiben und Gerichtsverfahren entwickeln- es ist schwer, sich aus solchen Prozessen zu lösen, zumal auch der andere bereit sein muss, die streitige Auseinandersetzung zu beenden. Das Ziel der Mediation ist erreicht, wenn eine Vereinbarung über die Folgen der Trennung geschlossen wird. Diese muss dann notariell beurkundet werden. Wenn das klappt- und die Erfolgsquoten sind gut- musste mal der eine, mal der andere manche Kröte schlucken, großzügig sein- aber: es zahlt sich aus. Jeder weiß anschließend, wo er/sie steht. Jeder kann danach im Leben neue Wege gehen. Und die Kinder können auf eine freundliche Familienatmosphäre hoffen, ohne sich positionieren zu müssen. RA Karin Schulze, Fachanwältin für Familienrecht und Sozialrecht, Mediatorin