
Drohung und Beleidigung im Job
Konflikte am Arbeitsplatz vor Gericht – Hohes Konfliktpotenzial durch häufigen Umgang
Wenn Arbeitnehmer täglich mehr Zeit mit ihren Kollegen und Vorgesetzten verbringen, als mit den meisten anderen Menschen, kommt es selbstverständlich auch im Arbeitsverhältnis zu Konflikten. Diese werden nicht immer sachlich ausgetragen. So kommt es zu Beleidigungen, Drohungen und körperlichen Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz. Mit den rechtlichen Folgen derartigen Verhaltens hatten sich in jüngster Zeit einige Gerichte zu beschäftigen. In einem aktuellen Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg hatte ein Arbeitnehmer einen Vorgesetzten gegenüber Kollegen in einem Facebook-Chat als „fettes Schwein“ bezeichnet, und zwar unter Verwendung des entsprechenden Bildsymbols bzw. Emoticons. Über die Wirksamkeit der aus diesem Grund ausgesprochenen fristlosen Kündigung hatte das Gericht zu entscheiden. Das LAG Baden-Württemberg stellte fest, dass die Äußerungen des Arbeitnehmers bei Facebook eine Beleidigung des Vorgesetzten darstellen und somit an sich ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gegeben sei. Dennoch gab das Gericht der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers statt. Denn bei Abwägung der beiderseitigen Interessen hätten die des Klägers überwogen. Zugunsten des Klägers sprach neben seiner 16-jährigen, beanstandungsfreien Beschäftigungsdauer auch, dass er mit den beiden beleidigten Vorgesetzten voraussichtlich kaum in Kontakt geraten würde, so dass eine Beeinträchtigung des Betriebsklimas im Falle der Weiterbeschäftigung des Klägers nicht zu befürchten war. Das Gericht war der Auffassung, dass eine Abmahnung als Reaktion auf den Vorfall genügt hätte. Der Entscheidung des Arbeitsgerichts lag ein Fall zugrunde, in dem ein Arbeitnehmer seinen Vorgesetzten anonym angerufen und mit den Worten „Ich stech’ Dich ab“ bedroht hatte. Der Vorgesetzte hatte den Mitarbeiter allerdings an seiner markanten Stimme erkannt. Im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen wurde festgestellt, dass der Vorgesetzte von einer Telefonzelle, die sich etwa 3,5 km von der Wohnung des Arbeitnehmers entfernt befindet, angerufen wurde. Nach durchgeführter Beweisaufnahme stand zur Überzeugung der Richter fest, dass der Arbeitnehmer den streitigen Anruf getätigt hatte. Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers gegen die fristlose Kündigung des Arbeitgebers wies das Arbeitsgericht Düsseldorf mit der Begründung ab, dass es sich bei dem Anruf des Arbeitnehmers um einen erheblichen Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten gehandelt habe. Aufgrund der ernsthaften und nachhaltigen Bedrohung seines Vorgesetzten sei dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nicht weiter zumutbar. Im Rahmen der Interessenabwägung sei sogar die 28-jährige Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers zu vernachlässigen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung sei eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen. Einen Fall mit erheblichen Besonderheiten hatte das LAG Hamm zu bewerten. Eine Mitarbeiterin, die auch Betriebsratsmitglied ist, stand in dem Verdacht, einer anderen Mitarbeiterin eine Trauerkarte mit dem handschriftlichen Zusatz „Für Dich (bist die Nächste)“ in das Dienstpostfach gelegt zu haben. Da Betriebsratsmitglieder über einen besonderen Kündigungsschutz verfügen, beantragte der Arbeitgeber, nachdem der Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung der Mitarbeiterin verweigert hatte, die Zustimmungsersetzung beim Arbeitsgericht. Die große Besonderheit dieses Falles war, dass es sich nicht um eine Tatkündigung sondern um eine Verdachtskündigung handelte. Es konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass die gekündigte Arbeitnehmerin Urheberin der Trauerkarte war. Ein vom Arbeitgeber eingeholtes Schriftgutachten hatte ergeben, dass der handschriftliche Zusatz mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ von der gekündigten Arbeitnehmerin stammte. Die höheren Übereinstimmungsgrade „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ und „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ vermöchte der Sachverständige nicht festzustellen. Das LAG Hamm sah die engen Voraussetzungen einer Verdachtskündigung, bei der aufgrund objektiver Tatsachen der dringende Verdacht einer gravierenden Pflichtwidrigkeit bestehen müsse, als nicht ausreichend gegeben an. Selbst wenn strafrechtliche Delikte von Arbeitnehmern begangen werden, die an sich als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung geeignet sind, kann eine fristlose Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unverhältnismäßig und damit unwirksam sein. Daher sollte die Einschätzung, ob ein Sachverhalt zum Ausspruch einer wirksamen Kündigung ausreicht, einem kompetenten und erfahrenen Arbeitsrechtler überlassen werden. Dieses gilt umso mehr, wenn es sich um eine Verdachtskündigung handelt, die nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommt.
Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 22.06.2016
Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.08.2016
Beschluss des LAG Hamm vom 30.08.2016
Fazit