
Der Familiennachzug und die GroKo
Unterschiedliche Voraussetzungen für Flüchtlinge und Schutzberechtigte
Als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention werden Ausländer anerkannt, denen Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Ethnie droht. Der Unterschied zum subsidiären Schutz besteht damit vor allem in der Motivation des ausländischen Staates zur individuellen Verfolgung seiner Landsleute. Bis 2015 hatte das BAMF durchgehend Syrer als Flüchtlinge anerkannt, seitdem „nur“ noch als subsidiär Schutzberechtigte. Ob das richtig ist, ist rechtlich heftig umstritten einschließlich einer bisher völlig uneinheitlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte der ersten und zweiten Instanz; die dritte und letzte Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, dürfte diese Frage dieses Jahr entscheiden. Der Streit macht sich vor allem daran fest, ob Syrer, wenn sie individuell vom Assad-Regime nicht verfolgt wurden (durch Festnahmen, Folter etc.), allein infolge ihrer Asylantragstellung im Falle einer unterstellten Rückkehr nach Syrien verfolgt werden würden, indem sie dann vom Assad-Regime gravierenden Repressalien ausgesetzt wären. Die Einschätzung genau hierzu, die eben die Motivation des syrischen Staates ausmacht, schwankt. Die Folge einer Anerkennung als Flüchtling ist das Zusprechen eines sehr sicheren Aufenthaltsrechts, nämlich einer Aufenthaltserlaubnis gleich für drei Jahre, und zwar ohne weitere Voraussetzungen. Die Folge ist weiter, dass die im Ausland lebenden Familienangehörigen des anerkannten Flüchtlings problemlos ein Visum bekommen können – in der Theorie; in der Praxis ist es gerade für Syrer äußerst schwierig und langwierig, von den Deutschen Botschaften in der Anrainerstaaten Syriens das dann auch wirklich zu bekommen. Die sonstigen Voraussetzungen eines Familiennachzugs, die grundsätzlich bestehen müssen, wie ein ausreichendes Einkommen des in Deutschland lebenden Familienangehörigen und nachgewiesene, einfache Deutschkenntnisse müssen danach nicht gegeben sein. … bezieht sich übrigens, seit jeher nach deutschem Recht, nur auf die Kernfamilie, also Ehegatten zueinander und minderjährige Kinder zu ihren Eltern und andersherum. Die gerade von rechten politischen Gruppierungen erhobene Behauptung des Nachzugs von „Großfamilien und Clans“ ist damit völliger Unsinn; das geht niemals nach eindeutiger Rechtslage. Sowohl die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling als auch der Familiennachzug zu diesen anerkannten Flüchtlingen sind nach höherrangigem Recht zwingend vorgegeben: sie ergeben sich konkret aus der völkerrechtlichen Genfer Konvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und ferner nach EU-Recht; Deutschland könnte also gar nicht diese Rechtslage ändern. Subsidiär Schutzberechtigte erhalten dagegen eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, ebenfalls ohne weitere Voraussetzungen. Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigte, auch nur in Bezug auf die Kernfamilie, wurde im März 2016 für zwei Jahre ausgesetzt, was jüngst von der GroKo auf Ende Juli 2018 verlängert wurde. Danach soll diese voraussichtlich fortgelten mit der Einschränkung, dass ein Kontingent von 1.000 Flüchtlingen pro Jahr zu den subsidiär Schutzberechtigten nachziehen kann. Diese 1000 Flüchtlinge werden, wie stets bei sogenannten Kontingentflüchtlingen (so früher z.B. die vietnamesischen boat-people oder Juden aus der ehemaligen Sowjetunion), darauf keinen durchsetzbaren Anspruch haben; die Deutsche Botschaft wird nach nicht überprüfbarer Auswahl Visa dazu erteilen. Es ist rechtlich überwiegende Auffassung, dass diese deutsche Rechtslage zum ausgesetzten Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten mit höherrangigem Recht, also Völker- und EU-Recht, grundsätzlich vereinbar ist. In Einzelfällen kann das anders sein: Ende 2017 gab das Verwaltungsgericht Berlin, das zentral in ganz Deutschland für alle Visaklagen gegen das Auswärtige Amt in Berlin als Oberbehörde gegen alle Deutschen Botschaften weltweit zuständig ist, der Klage von syrischen Eltern statt, die zuvor vergeblich einen Visaantrag zu ihrem in Deutschland allein lebenden minderjährigen Kind, das als nur subsidiär Schutzberechtigter anerkannt war und wegen Fehlens seiner Eltern erhebliche psychische Probleme hatte, statt. Begründung: Verstoß in diesem Einzelfall gegen höherrangiges Völkerrecht, konkret gegen die EMRK und die Kinderrechtskonvention, die minderjährige Kinder besonders schützt.