
Außerdienstliches Verhalten als Kündigungsgrund
Einen Arbeitnehmer trifft eine allgemeine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die betrieblichen Belange. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes billigerweise verlangt werden kann. Auch außerhalb der Arbeitszeit ist er verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Körperliche Auseinandersetzung Ob ein Arbeitnehmer diese Rücksichtnahmepflicht durch sein außerdienstliches Verhalten verletzt hatte und somit die Kündigung des Arbeitgebers rechtmäßig war, musste das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 30.01.2014 bewerten. In diesem Fall war der Arbeitnehmer für einige Wochen krankgeschrieben. An einem Samstag traf der Vorgesetzte des Arbeitnehmers diesen an einer Autowaschanlage an. Der Arbeitnehmer reinigte gemeinsam mit seinem Vater ein Kraftfahrzeug. Der Vorgesetzte beobachtete den Arbeitnehmer dabei, dass er Fußmatten mit Schwung gegen ein Metallgitter schlug, um diese auszuklopfen. Er war über die körperliche Verfassung des krankgeschriebenen Arbeitnehmers erstaunt und fertigte mit seiner Handykamera Fotos, um seine Beobachtung zu dokumentieren. Daraufhin kam es zu einer – auch körperlichen – Auseinandersetzung zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Vater mit dem Vorgesetzten. Aufgrund dieser Vorkommnisse kündigte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise fristgerecht. Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten Das LAG stellte fest, dass der tätliche Angriff auf einen Vorgesetzten oder einen Arbeitskollegen ein an sich geeigneter Sachverhalt ist, um auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es handele sich um eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten. Der Arbeitgeber sei nicht nur allen Arbeitnehmern gegenüber verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie keinen Tätlichkeiten ausgesetzt sind, sondern habe auch ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen beeinträchtigt wird und nicht durch Verletzungen Arbeitskräfte ausfallen. Der Vorgesetzte habe aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers berechtigte Zweifel daran gehabt, ob dessen Krankheit nicht vorgetäuscht sei. Das Anfertigen der Fotos durch den Vorgesetzten stelle nach Auffassung des Gerichts zwar grundsätzlich einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers dar. Dieser Eingriff sei aber gerechtfertigt gewesen, da die Zweifel des Vorgesetzten an der Erkrankung des Arbeitnehmers berechtigt gewesen seien. Kündigungsrelevanz außerdienstlichen Verhaltens Dieses Urteil bestätigt die ständige Rechtsprechung, dass ein außerdienstliches Verhalten kündigungsrelevant ist, wenn das Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Nur wenn ein solcher Zusammenhang fehlt, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus. Diesen Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bei einer Hehlerei des Arbeitnehmers mit gestohlenen Handys eines in Geschäftsbeziehung zum Arbeitgeber stehenden Kunden auf dem Parkplatz des Betriebes des Arbeitgebers gesehen. Der Arbeitgeber brauche nicht zu dulden, dass sein Betriebsgelände von Mitarbeitern für strafbare Privatgeschäfte genutzt werde. Zusammenhang mit Arbeitsverhältnis Sofern aber ein Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis nicht gegeben ist, gibt es keine arbeitsvertragliche Pflicht zu einem ordentlichen gesitteten Lebenswandel. So ziehen intime Beziehungen zwischen den Mitarbeitern eines Betriebes grundsätzlich keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen nach sich. Auch Spielbankbesuche des Zweigstellenleiters einer Bank sind nach einem Urteil des LAG Hamm grundsätzlich nicht als Kündigungsgrund geeignet. Zur Beurteilung der Kündigungsrelevanz eines außerdienstlichen Verhaltens ist die umfassende Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung erforderlich. Daher ist eine kompetente Beratung durch einen erfahrenen Fachanwalt zu empfehlen. Der Autor: Dr. Jan-Freerk Müller aus der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Müller & Caspers in Westerstede. Der Rechtsanwalt ist auch Fachanwalt für Arbeitsrecht mit den weiteren Tätigkeitsschwerpunkten Erbrecht, Privates Baurecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht. kanzlei@mueller-caspers.de; Telefon: 04488 / 84 810.