
Patient muss einwilligungsfähig sein
Das Oberlandesgericht Koblenz hatte sich kürzlich mit folgendem Fall zu befassen: Bei einer Gallenblasenoperation war versehentlich ein Gefäß verletzt worden, weil eine äußerst seltene anatomische Besonderheit beim Patienten vorlag. Der Patient machte geltend, man habe ihn vorher auf diese Gefahr nicht hingewiesen. Wäre dies geschehen, hätte er den Eingriff abgelehnt. In der Klageschrift hatte der Patient das Aufklärungsgespräch im Einzelnen dargestellt und aufgezeigt, über welche Risiken man ihn nicht aufgeklärt hatte. Daraus schloss das OLG, dass der Patient in der Lage war, das Aufklärungsgespräch mitzuverfolgen und zu verstehen. Fazit: Der Arzt muss die ordnungsgemäße Aufklärung und die wirksame Einwilligung des Patienten beweisen. Den Patienten trifft die Beweislast für die Behauptung, wegen bestimmter Umstände, z.B. starker Schmerzen nicht einwilligungsfähig gewesen zu sein (OLG Koblenz, Urteil v. 1.10.14 5 U 463/14). Autor dieses Beitrags: Rechtsanwalt und Notar Dr. jur. Eugen Pryzwanski ist Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in der Rechtsanwaltskanzlei Wandscher & Partner, Oldenburg; Infos im Internet: www.rae-wandscher.de .
Das Gericht hörte den Patienten an und meinte daraufhin, die Operationseinwilligung sei unwirksam, weil der Patient durch starke Schmerzen derart beeinträchtigt gewesen sei, dass ihm die Einwilligungsfähigkeit gefehlt habe. Der Eingriff sei daher rechtswidrig. Grundsätzlich vorab: Der ärztliche Heileingriff ist nach der Rechtsprechung eine rechtswidrige Körperverletzung. Willigt der Patient ein, entfällt die Rechtswidrigkeit. Der Patient kann allerdings nur wirksam einwilligen, wenn der Behandler ihn zuvor ordnungsgemäß über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt hat. Nur dann ist der Patient in der Lage, zu entscheiden, ob er das Risiko eingehen und den Eingriff durchführen lassen will oder nicht. Die Behandlerseite muss beweisen, dass sie den Patienten ausreichend aufgeklärt hat.
Hier stellt sich die Frage, ob der Patient deshalb nicht wirksam einwilligen konnte, weil er zu große Schmerzen hatte und nicht mehr hinreichend aufnahmefähig war.
Die erste Instanz hatte dies bejaht. „Nein“ sagt das Oberlandesgericht Koblenz, und zwar im Wesentlichen aus folgenden Gründen:
• In der Regel ist der erwachsene Mensch einwilligungsfähig.
• Derjenige, der im Einzelfall für sich das Gegenteil behauptet, muss dies beweisen. Derjenige, der im Einzelfall für sich das Gegenteil behauptet, muss dies beweisen. Diesen Beweis konnte der Patient hier nicht führen.
Einen Tag später klärte der Anästhesist den Patienten auf. Zu diesem Zeitpunkt waren die Schmerzen teilweise durch Medikamente unterdrückt. Obwohl auch bei dieser Aufklärung dem Patienten erhebliche Risiken aufgezeigt wurden, willigte er in den Eingriff ein. Dabei war er zu diesem Zeitpunkt bewusstseinsklar und nicht mehr schmerzbeeinträchtigt.
In diesem Zusammenhang stellte sich das OLG zusätzlich die Frage, ob dem Arzt, der das erste Aufklärungsgespräch geführt hatte, hätte bewusst werden müssen, dass die Schmerzen oder die schmerzveranlasste psychische Beeinträchtigung des Patienten möglicherweise so groß waren, dass er nicht wirksam einwilligen konnte. Das OLG verneinte dies.
Die Berufung der Behandlerseite hatte deshalb Erfolg. Der Patient konnte nicht beweisen, dass er nicht einwilligungsfähig war. Außerdem fehlte es ersichtlich am Verschulden der Behandlerseite.