„Mein Nachbar kann’s beschwören“
Zur Überraschung des Mandanten reagiert hier der Anwalt in der Regel nicht gerade mit Begeisterung. Warum? Zeugen sind – entgegen der landläufigen Meinung in der Bevölkerung – nur ein eher „suboptimales“ Beweismittel. Es fängt schon damit an, dass der Anwalt nachforschen muss, was der Zeuge tatsächlich bezeugen kann. Oftmals werden Personen als Zeugen angeboten, deren Aussage bei Gericht wenig, wenn nicht sogar überhaupt nicht weiter hilft. Die folgenden Beispiele sollen das verdeutlichen: Der sog. Knallzeuge – Der Knallzeuge hat nichts gesehen, er hat nur etwas gehört. Er hat den Aufprall beim Unfall oder den Schuss im Mordfall gehört. Über die Täterschaft kann er oft nichts aussagen, da er nur die Situation einige Sekunden oder Minuten nach dem fraglichen Ereignis gesehen hat. Seine Aussage ist ein Indiz, aber kein Nachweis. Der Zeuge vom „Hörensagen“ – Der Zeuge vom Hörensagen kann nur bezeugen, dass der Müller dem Meier erzählt hat dass er dies und jenes gemacht hat, was der Meier dann dem Zeugen erzählt hat. Der Zeuge kann also keine eigene Wahrnehmung wiedergeben, sondern lediglich die Wahrnehmung eines Dritten. Auch hier gilt die Indizwirkung, aber die ist relativ gering. Jeder der einmal „Stille Post“ gespielt hat, kann die Aussagekraft einer solchen Zeugenaussage selbst einschätzen ... Der „Mithörer“ – Oft werden auch Zeugen für ein Telefongespräch genannt. Das ist eine Person, die bei einem Telefongespräch dabei war, welches eine andere Person geführt hat. Für die Aussagen des Gesprächspartners kann dieser Zeuge natürlich wenig sagen. Selbst wenn dieser das Gespräch mitgehört hat ist die Verwertbarkeit der Aussage fraglich, denn ohne Zustimmung des Gesprächspartners zum „Mithören“ ist eine solche Verwertbarkeit der Aussage zumindest fragwürdig. Der „Zeuge ins Blaue hinein“ – Oftmals werden auch Zeugen genannt, ohne das genaue Beweisthema nennen zu können, meist mit dem Zusatz „Der weiß alles!“. Auf Grund des bestehenden Verbotes des Ausforschungsbeweises ist ein solcher Zeuge ebenfalls eher unbrauchbar (was leider manchen Richter nicht davon abhält, trotzdem solche Zeugen zu vernehmen). Der Anwalt muss also bereits im Rahmen des Mandats prüfen, wie „belastbar“ die angeblichen Zeugenaussagen nach den obigen Ausführungen sind. Selbst wenn die Zeugenaussagen für ein Verfahren verwertbar sind, bedeutet dies noch lange nicht, dass diese Zeugen auch vor Gericht aussagen müssen. Oftmals rufen Mandanten an und fragen verwundert nach, warum die in der Klageschrift genannten Zeugen nicht zur mündlichen Verhandlung geladen werden und ob die Zeugen – so wie bei Barbara Salisch – nicht einfach trotzdem kommen sollen. Das bringt jedoch nichts. Ob Zeugen gehört werden, entscheidet nur das Gericht. Es werden nur die Zeugen gehört, auf deren Aussage es nach Ansicht des Gerichtes für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt. Daher werden manchmal von zehn benannten Zeugen nur ein oder zwei Zeugen geladen, da es nach Ansicht des Gerichts eben nur auf die Tatsachen ankommt, die diese Zeugen beweisen sollen. Die Ladung der relevanten Zeugen erfolgt dann meist durch Beweisbeschluss. Da der Anwalt aber im Vorfeld nicht genau wissen kann, auf welche Tatsachen und Zeugen es dem Gericht besonders ankommt – das ist das subjektive Element eines jeden Prozesses – muss natürlich für jede Tatsache welche eventuell streitig sein könnte, ein Beweis angeboten werden. Auch wenn es „nur“ ein Zeuge ist, und man nie genau wissen kann, ob der Zeuge auch tatsächlich gehört wird. Selbst wenn der Zeuge gehört wird, muss das Gericht im Rahmen der Verwertung einer Zeugenaussage im Urteil noch Ausführungen zur Glaubhaftigkeit des Zeugen und der Zeugenaussage machen. Daher ist bei einer erfolgten Zeugenaussage noch längst keine Sicherheit gegeben, dass das Verfahren gewonnen wird, denn ein Gericht kann auch Zeugenaussagen als unglaubwürdig werten und eine Klage wegen fehlenden Beweises abweisen. Daher ist der Zeuge nur das Beweismittel „zweiter Wahl“, Urkunden sind in einem Prozess wesentlich effektiver. Daher der Rat an Alle: Bei allen wichtigen Vereinbarungen und Regelungen sollte eine schriftliche Fixierung des Vereinbarten erfolgen. Dann klappt’s auch mit der Klage.