
Irren ist menschlich ...
Nach Schätzung des BGH-Richters Ralf Eschenbach dürften sogar etwa 25 Prozent aller Urteile im Strafrecht Fehlurteile sein. Diese Zahl lässt sich allerdings nicht belegen und bedeutet keinesfalls, dass Strafgerichte nicht gewissenhaft arbeiten. Doch oft scheint die Beweislage so erdrückend, dass ein Fehlurteil fast nicht zu vermeiden ist. Auch der Fall Mollath hat für Aufsehen gesorgt. Herr Mollath wurde aufgrund eines Fehlurteils in die Psychiatrie eingewiesen. Erst ein Wiederaufnahmeverfahren führte nach sieben Jahren 2013 zur Freilassung. Mollath hatte stets seine Unschuld beteuert. In diesem Fall hat wohl tatsächlich eine Kette von Fehlentscheidungen zu der Einweisung in die psychiatrische Klinik geführt. Ebenfalls vielen im Gedächtnis dürfte der tragische Fall eines Biologie- und Sportlehrers sein, den seine Kollegin einer Vergewaltigung bezichtigt hat. Der Angeklagte musste fünf Jahre Freiheitsstrafe vollständig verbüßen, weil er auch während der Haft kein Geständnis abgelegt hat. Erst nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens stellte sich heraus, dass das vermeintliche Opfer die Vergewaltigung frei erfunden hatte. Dem nunmehr rehabilitierten Angeklagten nützte diese Wendung nicht mehr viel, er verstarb kurze Zeit nach seinem Freispruch. Leider lässt sich die Kette prominenter und natürlich auch weniger prominenter Fälle weiter fortsetzen und die Anzahl der nicht aufgedeckten Fehlurteile unterliegt nur der Spekulation. Die Ursachen für solche Justizirrtümer sind vielfältig: Neben dem erwähnten falschen Geständnis basieren sie natürlich auch auf falschen Zeugenaussagen ,Gutachterfehlern ,dem Mitwirken übereifriger Staatsanwälte und / oder überforderter Verteidiger, das heißt, häufig werden die Weichen für den Prozessverlauf aber auch schon im Ermittlungsverfahren gestellt, weil sich die Ermittler unter dem Druck, einen Täter repräsentieren zu müssen, schnell auf einen plausiblen Tathergang und einen Verdächtigen festlegen. Autorin dieses Beitrags: Kirsten Hüfken ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht, Oldenburg; Tel.: 0441 / 27 621, E-Mail: ra-huefken@ewetel.net .
Legt der Angeklagte z.B. – was gar nicht so selten ist – ein falsches Geständnis ab, so ist die Gefahr natürlich groß, dass dieses im Prozess auch entsprechend gewertet wird. So im Fall „Peggy“, in dem der geistig behinderte Angeklagte im Jahre 2004 aufgrund seines Geständnisses wegen Mordes verurteilt wurde. Nachdem Zweifel an der Echtheit des Geständnisses aufgetaucht waren, wurde der Prozess 2014 noch einmal aufgerollt und der Angeklagte freigesprochen.
Aufsehenerregend war auch der Prozess gegen Harry Wörz, der jahrelang unschuldig im Gefängnis saß, weil das Gericht irrtümlich davon ausgegangen war, er habe seine Ehefrau derart misshandelt, dass sie als lebenslanger Pflegefall auf den Rollstuhl angewiesen ist.
Auch hier stellte sich erst nach etlichen Jahren die Unschuld des ursprünglich Angeklagten heraus.
Man mag sich allerdings gar nicht ausmalen, welche gravierenden Konsequenzen ein Schuldspruch für den jeweilig unschuldig Verurteilten hat. Neben dem erlittenen Freiheitsentzug wird oftmals dessen gesamte Existenz vernichtet.
Natürlich beschränkt sich das Problem von Justizirrtümern nicht auf Deutschland oder Europa. Nicht auszudenken, wie sich diese verhängnisvollen Fehlurteile für Betroffene in Ländern auswirken, in denen noch die Todesstrafe verhängt und vollstreckt wird.