Ausflüge und Kultur
>Handlettering: Buchstaben kunstvoll kreieren
Handlettering: Buchstaben kunstvoll kreieren
Redaktion „Herzenssache“: Selbst der Einkaufszettel oder die To-do-Liste lässt sich heute schon bequem digital erfassen – ist die Rückkehr zur eigenen Handschrift überhaupt zeitgemäß? Melanie Robinet: Mehr denn je! Gerade weil unser Alltag digital überflutet ist, und wir so viele Bereiche unseres Lebens dadurch bestimmen lassen, ist die Sehnsucht nach dem Handgemachtem sehr stark. Seit einigen Jahren schon kann an diesen Trend zum Selbstgemachten - DIY (Do-it-yourself) beobachten. Die Blogs und Fachzeitschriften sind voll von Ideen, die unsere Kreativität mit den eigenen Händen fördern sollen und uns innerlich erden. Achtsamkeit ist hierbei ein weiterer Begriff, der gerne damit im Zusammenhang genannt wird. Wenn wir die Achtsamkeit auf unser Inneres richten, können wir dabei schöne Dinge mit den eigenen Händen (er-)schaffen. Kopf und Hände sind dann frei und entspannt. Das Gefühl, mit den eigenen Händen etwas Sichtbares und zum Anfassen hervorgebracht zu haben, ist für viele berauschend. Redaktion „Herzenssache“: Lettering, was ist das eigentlich? Melanie Robinet: Lettering leitet sich vom Begriff Lettern ab, der übersetzt ‚Buchstabe‘ bedeutet. Es gibt für die weitergreifende Definition dieses Begriffs eine Vielzahl von Begrifflichkeiten. Doch alle meine dasselbe: Beim Lettering geht es nicht ums Schreiben, sondern um das Zeichnen von Wörtern, Sätzen oder einem Text. Diese Kunstform findet vorrangig auf dem Papier über einen Stift statt. Redaktion „Herzenssache“: Welche Techniken werden unterschieden? Melanie Robinet: Viele glauben, dass es sich hierbei um eine andere Form der Kalligrafie oder Typografie handelt. Dem ist aber nicht so. Lettering kann mit dem Zeichnen gleichgesetzt werden und funktioniert über den Bleistift, Kugelschreiber, Filzstift und Fineleiner. Klassisch wird in zwei Unterpunkte des Letterings unterschieden: Handlettering und Brushlettering. Erstes meint die Konstruktion und damit Anordnung des Textes im gewünschten Format, von Hand, mit einem Stift auf Papier. Die Idee wird dabei zu erst von einem Bleistift gesetzt, bevor es zur Reinzeichnung z. B. über den Fineliner kommt. Das Brushlettering enthält in seiner Begrifflichkeit das englische Wort ‚Brush‘, zu Deutsch Pinsel und meint damit das Material mit dem die Buchstaben gemalt werden. Dafür kann sowohl ein handelsüblicher Pinsel oder der Brushpen, ein synthetischer Pinselstift, den es in vielen unterschiedlichen Farben gibt, verwendet werden. Das Besondere an dieser Technik ist, das jeder aufwärts geführte Strich dünn und jeder mit Kraft geführte Abwärtsstrich breit auf dem Papier steht. Dadurch ergibt sich ein attraktiver Rhythmus im Schriftbild, welcher durch die Kombination aus Script (Schreibschrift) und Druckbuchstaben vervollkommnend wird. Redaktion „Herzenssache“: Vermischt sich nicht auch einiges im kreativen Prozess, wenn es zur bildlichen Darstellung geht? Melanie Robinet: Natürlich. Man hält nicht immer streng an den einzelnen Formen fest. Das wäre ja auch langweilig. Eine Kombination von moderner Kalligrafie, faux calligraphy, Brushlettering und auch Typografie (vorrangig im Print) findet im Handlettering oft statt und macht das Gestalten eines Textes erst richtig spannend. Redaktion „Herzenssache“: Das von Hand gefertigte Kunstwerk wird dann doch wieder digitalisiert? Melanie Robinet: Ja, vor allem wenn es für den Bereich Print gedacht ist - sprich, wenn ein Letteringkünstler sein Lettering drucken lässt – in Form von Postkarten oder Auftragsarbeiten für Buchcover und Artikelillustrationen. Dann kommen wir nicht an der digitalen Weiterverarbeitung vorbei. Ich sehe sie dabei immer als ein Hilfsmittel und nicht so sehr als der kreative Motor an. Viele erstellen das gewünschte Lettering direkt digital, wenn schon im Vorfeld klar ist, für welchen Bereich es genutzt werden soll. Die Ausführung erfolgt dann über den digitalen Stift in einem gewünschten grafischen Programm. Dennoch liegt für mich der größere Reiz in dem von Hand gefertigten Stück und dem Spiel auf Papier mit unterschiedlichen Materialalien. Redaktion „Herzenssache“: Kann Lettering jeder lernen und wie am besten? Melanie Robinet: Ja, jeder kann Lettering lernen, ob nun Hand- oder Brushlettering. Es kommt weder auf eine außergewöhnliche Handschrift an, noch ob man Rechts- oder Linkshänder ist oder ob man ein Talent fürs Malen besitzt. Es kommt nur aufs Wollen an. Mit einer guten Anleitung in Form von einem Buch, dem Internet oder einem Workshopbesuch können sowohl die Grundkenntnisse erworben als auch fortgeschrittene Techniken und Raffinessen erlernt werden. Ich selber gebe seit 2016 Workshops in Oldenburg und Bremen, sowohl für Anfänger als auch Fortgeschrittene. Der nächste freie Anfängerkurs findet im neuen Jahr am 20. Januar 2018 wieder im Atelier des Horst Janssen-Museums statt. Redaktion „Herzenssache“: Wozu lässt sich Lettering ganz praktisch nutzen? Melanie Robinet: Tatsächlich kann ein Lettering jeden gewöhnlichen Gegenstand verzaubern. Es ist also für alle möglichen Themen und materiellen Untergründe geeignet und dem Stift ist kaum eine Grenze gesetzt. Ob als Glückwunschkarte, Poster mit einem Motivationsspruch, jahreszeitliche Dekoration am Fenster, dem Gummistiefel oder Sneakers, der Kaffee/Tee Tasse, der Wand im Wohnzimmer oder der Tafel im Klassenzimmer. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Schreiben Sie einfach mal wieder. Genau jetzt einem Herzensmenschen. Nehmen Sie sich die Zeit und setzten Sie „Frohe Weihnachten“ auf eine Karte in Szene und zücken Sie anschließend Ihren Füllfederhalter, um der Karte Leben einzuhauchen. Zu Beginn braucht es nicht mehr. Trauen Sie sich, jeder kann Lettern! Und wenn Sie es lernen wollen, besuchen Sie gerne einen meiner Workshops.