
„Ich will gemeinsam etwas bewegen“
Neue Einrichtungsleiterin Christine Rüdebusch setzt sich für bessere Übergänge in der Pflege ein
Das Pflegeheim Haus Christa in Stollhamm (Landkreis Wesermarsch), das im Bezirksverband Oldenburg (BVO) organisiert ist, gehört zu diesem sozialen Netzwerk. Christine Rüdebusch hat Anfang 2018 den Schritt gewagt und die Leitung dieser Einrichtung für Erwachsene übernommen, die in ihrer psychischen und/oder physischen Stabilität stark eingeschränkt sind. „Wir haben Bewohner von Anfang 20 bis an die 90 Jahre“, weiß die Nordenhamerin, dass Alter irrelevant ist und um ihre besondere gesellschaftliche Aufgabe: „Die spezialisierte psychiatrische Pflege machen nur wir. Für viele Bewohner ist es eine Station auf einem langen Leidensweg mit vielen Klinikaufenthalten und oft schwierigen Familienverhältnissen“, erklärt Christine Rüdebusch, die sich mit dem Sozialpsychiatrischen Verbund in Brake einer großen Herausforderung stellt. „Unser Ziel ist ein gemeindepsychiatrisches Zentrum in der Wesermarsch, das niederschwellige „Krisenräume“ für Betroffene gezielt verbinden soll“, offenbart die Fachgruppensprecherin Allgemeinpsychiatrie viel Elan für die gesellschaftspolitische Gestaltung, die ihre Position einerseits ermöglicht und der Landespsychiatrieplan andererseits abverlangt. Am runden Tisch mit regionalen professionellen Anbietern entsteht hier dank gemeinschaftlicher Dynamik ein Konzept, das Anfang 2021 dem Kreistag vorgestellt werden soll. „Wir wollen gemeinsam etwas bewegen für psychisch Kranke, die in ihrem Lebensumfeld keine Lobby haben und häufig stigmatisiert werden.“ Psychische Erkrankungen können jeden treffen, Depressionen sind die Volkskrankheit Nummer eins und nach wie vor ein Tabuthema. „Es sind völlig normale Menschen, die einfach Pech hatten, dass sie die persönliche Resilienz, die richtigen Hilfen und das passende Umfeld nicht hatten“, stellt Christine Rüdebusch den Begriff „normal“ in Frage. „Bei uns finden die Männer und Frauen, die mit ihren Problemen oftmals angeeckt sind, ihren Platz in der Gemeinschaft und werden mit ihren speziellen Ausprägungen angenommen.“ Und viele verlassen auch wieder das Haus Christa“, ist die Sinnhaftigkeit für den Pflegeberuf deutlich zu spüren. „Selbstwertgefühl durch Tun“ ist das erfolgreiche Motto der Einrichtung mit über 90 Mitarbeitern. „Wir bleiben nicht nur in der gewöhnlichen Pflegebahn, sondern schauen auch über den Tellerrand“, ist die Frohnatur mit ihren braunen Locken offen für neue Wege. Ihr Augenmerk legt die gelernte Bürokauffrau, Versicherungsfachfrau, Krankenschwester und Psychiatriefachkraft deshalb neben den Bewohnern ebenso auf Kostenträger, Betreuer, Angehörige und vor allem auf ihr Team. Ein Arbeitsumfeld, in dem sich jeder mit seinen individuellen Fähigkeiten einbringen kann, sorgt in der Pflege für größere Zufriedenheit und damit Gesundheit. „Es ist mir wichtig, junge Leute für die Pflegeberufe zu begeistern und die vielfältigen Karrieremöglichkeiten aufzuzeigen.“ Sie sei das beste Beispiel, schmunzelt die 48 -Jährige, die ohne Studium als examinierte Krankenschwester bis zur Einrichtungsleitung aufgestiegen sei. „Ich habe die Metaperspektive im Blick und möchte Impulse setzen“, weiß Christine Rüdebusch als einst schüchternes Mädchen aus Brake heute um ihre besonderen Stärken. Pflege geht in unserer Gesellschaft alle an – auf körperlicher und seelischer Ebene, nicht nur als gebende Fachkraft, sondern auch in einer zugewandten Begegnung zum Pflegebedürftigen auf Augenhöhe. Sowohl aus der Pflege als auch aus dem Eingliederungsbereich finden Bewohner so gestärkt zurück in den selbstständigen und eigenverantwortlichen Alltag. Dafür sei es auch wichtig, Berührungsängste der Bürger*innen zu nehmen und Kontakte im Umfeld zu pflegen. „Wir erhalten fast täglich Anfragen, es gibt einen großen Bedarf“, unterstreicht Rüdebusch. Doch das Haus Christa ist – wie andere Einrichtungen auch – gut ausgelastet. Damit sehr viel mehr pflegebedürftige Menschen – und das gilt nicht nur für die Wesermarsch – künftig besser und schneller versorgt werden können, brauche es mehr Angebote für einen fließenden Übergang zwischen ambulant und stationär, ist die zweifache Mutter zuversichtlich, mit vereinten Kräften etwas für die Pflege künftig bewegen zu können. Auch deshalb befürwortet sie die Pflegekammer. „Wir sind viele, wir werden gebraucht und wir haben alle gemeinsame Interessen“, sieht die Expertin die Vorteile der Mitbestimmung in einer großen Gemeinschaft für die Zukunft der Pflege.