Gute Gründe für Entschädigungsansprüche
Zwangsschließungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie
Unmittelbare Ansprüche aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) ergeben sich für diese Unternehmen nicht. § 56 IfSG sieht Ansprüche für Personen vor, die selbst erkrankt oder ansteckungsverdächtig sind und daher aufgrund behördlicher Anordnung in Quarantäne müssen. § 65 IfSG betrifft behördliche Maßnahmen gemäß §§ 16 und 17 IfSG (Vernichtung von Gegenständen und Gesundheitsschädlingen). Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Staatshaftungsrechts (Art. 34 GG, § 839 BGB) scheiden aus, da die staatlichen Maßnahmen auf Basis des § 28 Abs. 1 (teilweise in Verbindung mit § 32) IfSG sich im zulässigen Rahmen des Beurteilungsspielraums der Behörden bewegen. Immerhin ist festzustellen, dass jedenfalls diejenigen Personen einen Anspruch haben, von denen unmittelbar eine Gefahr ausgeht. Bislang übersehen wird, dass es durchaus weitergehende Entschädigungsansprüche im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht gibt (zu denen auch das Infektionsschutzgesetz gehört). Im Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) ist ein Entschädigungsanspruch für Personen geregelt, die aufgrund einer rechtmäßigen Inanspruchnahme durch die Behörden einen Schaden erlitten haben (§ 80 Abs. 1 NPOG). Hierzu zählen Betriebe, die in den entsprechenden Allgemeinverfügungen und Verordnungen zur Zwangsschließung ausdrücklich genannt werden, wie zum Beispiel Gastronomiebetriebe, Einzelhandel, Friseure und Fitnessstudios. Das NPOG ist ergänzend anzuwenden, soweit die Vorschriften des besonderen Gefahrenabwehrrechts keine abschließenden Regelungen enthalten. In diesem Sinne lässt sich die Gesetzesbegründung zum Bundesseuchengesetz, dem Vorgänger zum Infektionsschutzgesetz, heranziehen. § 80 Abs. 1 NPOG enthält einen Entschädigungsanspruch sogenannter „nicht verantwortlicher Personen“ im Sinne des § 8 NPOG. Zu diesen zählen alle Personen, die aufgrund einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr in Anspruch genommen werden, ohne diese Gefahr selbst verursacht zu haben. Der Anspruch besteht, wenn Maßnahmen gegen die eigentlichen „Gefahrenquellen“ (die tatsächlich erkrankten und die ansteckungsverdächtigen Personen) nicht möglich oder nicht Erfolg versprechend sind und die Behörden die Gefahr auch nicht anders abwenden können. In der vorliegenden Situation spricht vieles dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Denn wenn schon die Personen entschädigt werden, von denen eine Gefahr ausgeht, müssen unbeteiligte Personen für behördliche Eingriffe erst recht entschädigt werden. Für die Corona-Pandemie gibt es kein vergleichbares Ereignis in der Vergangenheit. Dementsprechend gibt es auch keine Gerichtsentscheidungen, mit denen in vergleichbaren Fällen bereits über das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs entschieden worden ist. Die Rechtslage ist daher zwar nicht als gesichert anzusehen – wohl gibt es aber gute Gründe, dass ein Entschädigungsanspruch besteht. Für Unternehmen, die nur mittelbar betroffen sind, bleibt nur die Möglichkeit eines Entschädigungsanspruchs gemäß § 80 Abs. 3 NPOG. Diese Vorschrift gilt für Personen, die nicht in Anspruch genommen werden, gleichwohl einen billigerweise nicht zumutbaren Schaden erlitten haben. Bei der Frage, ob ein Schaden „billigerweise“ zumutbar ist, handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff. Aufgrund der besonderen vorliegenden Umstände dürfte wohl von einer Billigkeit der Nachteile der nur mittelbar betroffenen Unternehmen auszugehen sein, womit ein Anspruch unter Umständen ausgeschlossen wäre. Betroffene Unternehmen sollten vorsorglich entsprechende Anträge bei den zuständigen Behörden stellen. Zu beachten ist, dass im Falle einer unmittelbaren oder sinngemäßen Anwendung des IfSG die Anträge innerhalb von drei Monaten nach Beginn der behördlichen Maßnahme zu stellen sind. Die ersten Allgemeinverfügungen, durch die die Betriebsschließungen angeordnet wurden, datieren vom 17. März 2020 und galten am 18. März 2020 als bekannt gegeben. Die Frist zur Antragstellung endet damit möglicherweise bereits am 18. Juni 2020.