Fehlerquellen im Testament: Die Pflichtteilsstrafklausel

Eine Pflichtteilsstrafklausel kann Kinder davon abhalten, den Pflichtteil geltend zu machen

Amelie Miedtank

Um den Sinn und Zweck der verschiedenen Pflichtteilsstrafklauseln zu veranschaulichen, sei das folgende Beispiel gebildet: Eine Familie besteht aus dem Vater, der Mutter, zwei gemeinsamen Kindern und einem Kind aus der ersten Ehe der Mutter. Vater und Mutter haben beide jeweils ein Vermögen in Höhe von 120.000,00 €. Sie errichten ein Berliner Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und für den Schlusserbfall die drei Kinder zu gleichen Teilen einsetzen.

Bei der Testamentsgestaltung wünschen sich die Erblasser, dass das Vermögen wie folgt übergeht: Nachdem der erste von ihnen beiden verstorben ist, erbt der andere sein vollständiges Vermögen, d.h. 120.000€. Die Kinder erhalten noch nichts. Wenn nun auch der zweite stirbt, hinterlässt er einen Nachlass in Höhe von 240.000€. Dieser Nachlass wird zwischen den drei Kindern geteilt, d.h. jedes Kind erhält einen Erbteil in Höhe von 80.000 €.

Ungewünschte Rechtsfolge ohne Pflichtteilsstrafklausel

Da die Kinder bei dem ersten Erbfall enterbt sind, steht ihnen der gesetzliche Pflichtteilanspruch zu. Einen Pflichtteilsanspruch haben die Kinder aber nur nach ihren leiblichen Elternteilen, d.h. das Kind aus der ersten Ehe hat nur einen Pflichtteil nach dem Tod der Mutter, nicht aber nach dem Tod seines Stiefvaters. Wenn ein Kind seinen Pflichtteil geltend macht, könnte es ohne weitere Regelung zu dem folgenden Szenario kommen:

Der Vater verstirbt und hinterlässt einen Nachlass in Höhe von 120.000€. Das älteste Kind verlangt seinen Pflichtteil. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, in dieser Konstellation also 1/12 des Nachlasswertes. Das Kind bekommt 10.000€ ausgezahlt, die Mutter hat von ihrem Erbteil noch 110.000€ zur Verfügung. Nach dem Tod der Mutter hinterlässt sie einen Nachlass in Höhe von 230.000€, der zu gleichen Teilen an alle drei Kinder geht. Das älteste Kind hat nun 10.000€ mehr als die anderen beiden erhalten, obwohl es gegen den Willen seiner Eltern den Pflichtteil geltend gemacht hat.

Diese Folge soll bei der Testamentsgestaltung vermieden werden. Der Pflichtteil kann nicht einseitig in dem Testament ausgeschlossen werden. Um sicher zu stellen, dass die Kinder den Pflichtteil nicht verlangen können, muss mit ihnen ein notarieller Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen werden. Wenn dies nicht ohne weiteres möglich ist (z.B. weil die Kinder noch minderjährig sind, sich weigern oder die Eltern nicht mit ihren Kindern darüber reden wollen), dann kann mit sogenannten Pflichtteilsstrafklauseln gearbeitet werden. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit eine einfache Pflichtteilsstrafklausel im Testament aufzunehmen oder die weitergehende sogenannte „Jastrow’sche“ Pflichtteilsstrafklausel.

Die einfache
Pflichtteilsstrafklausel

Bei der einfachen Pflichtteilstrafklausel wird folgendes verfügt: Das Kind, welches beim ersten Erbfall den Pflichtteil verlangt, wird für den zweiten Erbfall enterbt.

Für unser Beispiel bedeutet das folgendes: Das älteste Kind hat nach dem Tod des Vaters den Pflichtteil geltend gemacht und 10.000€ erhalten. Nach dem Tod der Mutter geht der Nachlass in Höhe von 230.000€ nun nicht mehr zu gleichen Teilen an alle drei Kinder, sondern nur noch an die anderen beiden Kinder. Das älteste Kind hat nun wiederum die Möglichkeit, seinen Pflichtteil geltend zu machen. Im zweiten Erbfall beträgt dieser 1/6 des Nachlasswertes, d.h. grob aufgerundet 40.000€. Während die anderen beiden Kinder beide grob aufgerundet 95.000€ als Erbe (den verbleibenden Nachlasswert in Höhe von circa 190.000€ geteilt durch zwei) erhalten, hat das älteste Kind also insgesamt nur knapp 50.000€ erhalten. Es steht wirtschaftlich betrachtet deutlich schlechter da, als wenn es den Pflichtteil nicht geltend gemacht hätte.

Diese wirtschaftliche Konsequenz soll die Kinder davon abhalten, den Pflichtteil im ersten Erbfall geltend zu machen. Noch deutlicher wird die Konsequenz für das Kind aus der ersten Ehe. Stirbt die Mutter zuerst und macht das Kind seinen Pflichtteil geltend, dann ist es für den Schlusserbfall enterbt. Beim Tode des Stiefvaters steht dem Kind kein Pflichtteilsanspruch zu, deswegen erhält es nur die 10.000€. Die anderen beiden Kinder erhalten jeweils 115.000€.

Die Jastrow’sche
Pflichtteilsstrafklausel

Noch weitergehender ist die Jastrow’sche Klausel: Das Kind, welches den Pflichtteil geltend macht, wird wiederum für den Schlusserbfall enterbt. Zusätzlich erhalten die anderen Kinder, die ihren Pflichtteil nicht geltend gemacht haben, ein Geldvermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils. Dieses Geldvermächtnis wird jedoch erst zur Auszahlung fällig, wenn der zweite Elternteil verstorben ist.

Wiederum im Beispiel: Der Vater stirbt. Das älteste Kind erhält seinen Pflichtteil in Höhe von 10.000€. Die anderen beiden Kinder erhalten Vermächtnisse in Höhe ihres gesetzlichen Elternteils, d.h. von 1/6 des Nachlasswertes, gleich 20.000€. Diese Vermächtnisse muss die Mutter noch nicht unmittelbar auszahlen. Die Mutter hat grundsätzlich also weiterhin 230.000€ zur Verfügung. Stirbt die Mutter hinterlässt sie aber einen Nachlass in Höhe von nur 190.000€. Die Vermächtnisse an die anderen beiden Kinder fallen nicht in den Nachlass der Mutter. Macht das älteste Kind nun auch noch den Pflichtteil nach seiner Mutter geltend, so fällt dieser geringer aus und beträgt nur noch abgerundet 30.000€. Es erhält also nur noch knapp 40.000€ insgesamt, während seine beiden Geschwister insgesamt jeweils circa 100.000€ erhalten (circa. 80.000€ aus dem Nachlass der Mutter und 20.000€ aus dem Vermächtnis nach dem Vater).

Durch die Verfügung einer Pflichtteilsstrafklausel im Berliner Testament sollen die Kinder davon abgeschreckt werden, ihren Pflichtteil zu verlangen.

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