Urteil: Steuerzinsen sind verfassungswidrig
Bundesverfassungsgericht hat Urteil über Steuerzinsen getroffen
Steuerzinsen müssen sowohl auf Steuernachforderungen als auch auf Steuererstattungen gezahlt werden. Sie fallen allerdings erst nach einer 15-monatigen zinsfreien Karenzzeit an. Ziel ist es, eine gleichmäßige Besteuerung der Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Das Finanzamt geht von der theoretischen Möglichkeit aus, dass die zunächst geringeren Steuerzahlungen zinsbringend angelegt werden. Diese Liquiditätsvorteile sollen durch die Verzinsung ausgeglichen werden. Gleiches gilt für die Liquiditätsnachteile aus der späteren Erstattung der Steuern. §233a der Abgabenordnung (AO) regelt die Verzinsung der Steuernachforderungen und -erstattungen für die Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- und Gewerbesteuer. Hier ist auch die Karenzzeit geregelt. Der Zinssatz beträgt 0,5 % je vollem Monat – mithin 6 % jährlich. Zu einer Verzinsung kommt es immer dann, wenn Altjahre erstmals veranlagt oder ältere Bescheide zum Beispiel aufgrund einer Betriebsprüfung geändert werden. Ein Beispiel: Ein Steuerpflichtiger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Aufgrund einer Betriebsprüfung für das Jahr 2017 ergehen im September 2021 neue Bescheide mit einer Steuernachzahlung von 1.000,00 €. Nach der 15-monatigen Karenzzeit kommen für den Zeitraum vom 1. April 2019 bis 31. August 2021 (29 Monate) monatlich 0,5 %, also insgesamt 14,5 % Zinsen hinzu. Somit erhöht sich die Gesamtforderung auf 1.145,00 €. Die Zinsen in Höhe von jährlich 6 % gelten unverändert seit 1961. Hier setzt das Urteil des BVerfG an: Die Höhe der Zinsen spiegelt nicht das seit Jahren anhaltende niedrige Zinsniveau auf dem Kapitalmarkt wider. Für die Jahre 2010 bis 2013 wird die Zinshöhe aber als verfassungsgemäß angesehen, erst ab dem Jahr 2014 sind die Zinsen verfassungswidrig. Die Finanzämter müssen bis zum Beschluss eines niedrigeren Zinssatzes zunächst sämtliche erstmalige Zinsfestsetzungen aussetzen. Das bedeutet, dass die Zinsen vorerst nicht festgesetzt werden. Sobald die geforderte rückwirkende Gesetzesänderung durchgeführt wurde, wird die Zinsfestsetzung nachgeholt und die vorläufigen Bescheide werden geändert. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Frist zur Abgabe der Steuererklärungen und damit auch die zinsfreie Karenzzeit um sechs Monate verlängert. Für das Steuerjahr 2019 hat der Zinslauf somit erst am 1. Oktober 2021 begonnen. Fraglich ist bisher noch, ob eine nachträgliche Zinsänderung auch im Falle der Erstattungszinsen zulasten des Steuerpflichtigen möglich ist, da gemäß §176 AO der Vertrauensschutz gilt. Ob und inwieweit diese Norm Anwendung findet, bleibt abzuwarten. Die Steuerpflichtigen müssen aktuell selbst noch nicht aktiv werden. Zunächst muss der Gesetzgeber eine Neuregelung auf den Weg bringen und dann beginnt die Arbeit für die Finanzämter.