
Stressabbau im digitalen Zeitalter anders denken
Pilotstudie zur Wirksamkeit der Natur – neue Methode von Krankenkassen zertifiziert
Durch die Modernisierung und Technisierung der Gesellschaft haben sich die Lebenswelten vieler Menschen grundlegend verändert. Der moderne Lebensstil ist geprägt durch Bewegungsarmut und ständige Geräuschkulisse. Die ununterbrochene Beschallung von außen (Straßenlärm, Musik, Handy etc.), gepaart mit Bewegungsmangel, schadet auf Dauer Körper, Geist und Seele. Der Körper kommt zu wenig in Bewegung, dafür stehen die Gedanken nie still. Selbst nachts liegen viele Menschen wach, weil das Gedankenkarussell permanent kreist. Am Arbeitsplatz sind Faktoren wie ein gestiegenes Leistungspensum, fehlende Anerkennung und allgemeine Unzufriedenheit dafür verantwortlich, dass sich immer mehr Arbeitnehmer krankmelden. Dabei fällt auf, dass insbesondere in den letzten Jahren der Anteil an psychischen Erkrankungen als Diagnose deutlich zugenommen hat. So sind im Zeitraum von 2006 bis 2015 die Arbeitsunfähigkeitstage um das Fünffache angestiegen. Diese Werte und viele Hintergründe zu den einzelnen Krankheitsthemen lassen sich im aktuellen Fehlzeitenreport der AOK nachlesen. Sehr ähnliche Zahlen finden sich auch bei den anderen Kassen, wie die folgende Grafik der Techniker Krankenkasse belegt. Viele große Unternehmen wie Google, Facebook, aber auch SAP und andere haben dieser Entwicklung bereits Rechnung getragen und bieten ihren Mitarbeitern Kurse und Anwendungshilfen an, um mit Unterstützung achtsamer Körperübungen wie Meditation und Yoga den Geist und die Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen. In der Regel finden diese Maßnahmen in geschlossenen Räumen statt. Dabei können gerade hier die vielfältigen Erscheinungsformen der Natur sehr hilfreich sein. Seit jeher hat die Natur, sei es durch Wälder, Berge, Seen oder auch nur einen Bachlauf, einen starken Einfluss auf das Wohlbefinden des Menschen. Der bewusste Kontakt mit der Natur ruft Gefühle des Behagens und eine entspannte Wachsamkeit hervor. Gleichzeitig nehmen negative Gefühle wie Wut, Ärger, Groll und Angst ab. Langsames, bewusstes Gehen im Wald ohne Ziel, frei von Leistungsdruck, frei von allgemeinem Smalltalk über Wetter, Politik und Co. – Ein Aufenthalt in der Natur stellt in der Regel eine Art von Auszeit dar. Es entsteht eine Situation, in der Verhaltensgewohnheiten und Problemlösungsstrategien überdacht werden und neue Sicht- und Verhaltensweisen aufkommen können und man wieder zuversichtlicher in den Alltag zurückkehren kann. Mit ein wenig Übung lassen sich Sinne und Wahrnehmung neu schärfen. Mal wieder bewusst das Plätschern eines Baches hören, einem Specht lauschen, den Wind auf der Haut spüren, barfuß die Vielfalt des Waldbodens wahrnehmen und spüren. Den Duft von nassem Moos wieder riechen und in sich aufnehmen. Diese ganz natürlichen und einfachen Interventionen gepaart mit Atem- und Körperübungen helfen, die eigene Resilienz zu stärken und Körper, Geist und Seele besser ins Gleichgewicht zu bringen. Dieses liegt maßgeblich an den Phytonziden, die als antibiotisch wirkende Abwehrstoffe über die Pflanzen im Wald sogenannte „natürliche Killerzellen“ freisetzen, die in der Folge einen positiven Effekt auf das Immunsystem und die körperlichen Abwehrkräfte des Menschen haben. Der Biologe Clemens G. Arvay schreibt in seinem Buch „Der Biophilia-Effekt. Heilung aus dem Wald“, dass Untersuchungen belegt haben, dass bereits nach einem Tag im Wald die Anzahl dieser Zellen im Blut um bis zu 40 % steigen kann. Der Effekt war noch bis zu einer Woche nachweisbar. Nach nur zwei Tagen in der Natur stieg die Anzahl der Abwehrzellen bis auf 50 % an. Die positive Wirkung allerdings hielt noch bis zu einen Monat an. Damit einher geht die Stärkung des Immunsystems, das damit in die Lage versetzt wird, sich besser gegen Viren, Bakterien und Krebszellen zur Wehr zu setzen. Geist und Körper erholen sich. Das heilende Band zwischen Mensch und Natur tut dem Einzelnen intuitiv, aber auch wissenschaftlich belegt gut. Forschungsarbeiten haben belegt, dass z.B. Pflanzen mit unserem Immunsystem kommunizieren und die Widerstandskräfte stärken, ohne dass dieses ins Bewusstsein gelangt. Auch Bäume sondern unsichtbare Substanzen ab, die dem Menschen gut tun. Also warum nicht mal wieder bewusst einen Baum in den Arm nehmen, oder bewusst mit der eigenen Wirbelsäule die Säule und damit die Kraft des Baumes spüren. Bei geschultem Umgang hiermit können Effekte ungeahnten Ausmaßes entstehen. Körperliches und seelisches Wohlbefinden haben einen engen Zusammenhang. Vor diesem Hintergrund ist die Umsetzung einer wissenschaftlich begleiteten Studie ins Leben gerufen worden, die belegen soll, wie anstelle von Medikamenten der Einsatz von Natur zur besseren Stressprophylaxe helfen soll. In der Studie wurde die Wirksamkeit einer spezifischen achtsamkeitsbasierten Naturerlebnisintervention zur Reduktion von beruflichem Belastungserleben bei Berufsgruppen mit einem hohen Anforderungsniveau geprüft. Dabei wurde analysiert, ob es berufsspezifische Unterschiede in der Variation des individuellen Belastungserlebens gibt und inwieweit sich eine spezifische achtsamkeitsbasierte Naturerlebnisintervention als Maßnahme zur beruflichen Stressreduktion eignet. Achtsamkeit bezeichnet eine bewusste Art der Aufmerksamkeitslenkung, die zum Ziel hat, sich auf den gegenwärtigen Moment zu fokussieren und diesen wertfrei wahrzunehmen. Die Besonderheit eines naturbasierten Achtsamkeitsverfahrens liegt darin, dass das MBSR-Training mit gesundheitsförderlichen Aspekten von Naturerleben kombiniert wird und somit eine weitere Möglichkeit zur Stressreduktion bietet. Auch bei der Umsetzung der Studie wurden achtsamkeitsbasierte Methoden und Techniken mit und um das Naturerleben durchgeführt. Beim angewandten meditativen Gehen und meditativen Wandern geht es um die Rückbesinnung auf die natürliche Art der Fortbewegung. Im bewussten Gehen soll Stress und Hektik sowie das Gefühl von ‚getrieben sein‘ reduziert werden. Gleichzeitig wurden Atemübungen mit den Teilnehmern absolviert. Ziel war die Stressreduktion und Verbesserung der Selbstwahrnehmung. Über dieses Verfahren gelang es den Teilnehmern, wieder zu mehr Ruhe und Ausgeglichenheit zu kommen. So dass auch über die Beziehung von Geist und Körper entsprechende körperliche Wirkungen erzielt werden konnten. Im Umkehrschluss komm damit auch wieder „Mens sana in corpore sano” zur Geltung.