Geld und Recht
>Das Wirtschaftsjahr 2020 – Ein Ausblick auf die wahrscheinlichen Entwicklungen
Das Wirtschaftsjahr 2020 – Ein Ausblick auf die wahrscheinlichen Entwicklungen
Chancen und Risiken einzelner Branchen im aktuellen Kontext
Umweltbewusstsein hat an Bedeutung in allen Gesellschaftsschichten gewonnen und wird weiter zunehmen. Es formt unser Verständnis von Gesellschaft neu. Es entstehen neue Synergien zwischen Umwelt und Gesundheit, die dazu führen, dass wir Umweltschutz als neue Aufgabe unserer Gemeinschaft verstehen. Diese gesellschaftlichen Veränderungen wandeln auch die Logiken von Marken, Marketing und Märkten. Klimaschutz und Nachhaltigkeit dienen nicht nur dem Erhalt unseres Planeten, sondern auch als Marketingstrategie oder als ganzer Markt für Dienstleistungen und Produkte. Nachhaltigkeit ist gefragt. Die Potenziale dieser Transformation nutzen immer mehr Unternehmen und stellen sich neu auf. Sie verzichten auf Plastikverpackungen und setzen stattdessen Papierverpackungen ein. Damit setzen die Hersteller ein deutliches Zeichen im Kampf gegen Plastik und verbessern gleichzeitig das eigene Image. Dies hat auf der anderen Seite massive Umsatzeinbußen in der Kunststoffbranche zur Folge. Des Weiteren hat das zunehmende Umweltbewusstsein in der Bevölkerung neben dem Konsum auch Auswirkungen auf die persönliche Mobilität, so dass Unternehmen und ganze Branchen dazu gezwungen sind, sich neu aufzustellen. Aber nicht nur auf Kundenseite erweist sich eine nachhaltige Ausrichtung als profitabel. Eine Innovationskultur fördert die Chancen der Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit. Werden Nachhaltigkeit und Corporate Responsibility Teil der Unternehmenskultur, schafft dies eine Mitarbeiterzufriedenheit und einen Wettbewerbsvorteil im Kampf um Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt. Vor allem in technologischen Branchen, die auf junge Talente angewiesen sind, spielt das Thema Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. Digitalisierung und Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz (KI) sowie Blockchain und Big Data Analytics werden in den 20er Jahren möglicherweise DIE Themen sein, mit denen sich die Unternehmen auseinandersetzen müssen. Die Automatisierung und Prozessoptimierung stehen dabei weiterhin bei einem Großteil der Unternehmen im Fokus. Neben der Vernetzung gewinnt die KI immer mehr an Bedeutung bei der Transformation. Unternehmen können die Effizienz durch Roboter, Chatbots und Sprachsysteme steigern. 2019 war ein erfolgreiches Jahr für die Immobilienwirtschaft und das Bauwesen. Das billige Geld der Notenbank sorgt dafür, dass sich der Boom auch im Jahr 2020 fortsetzen wird. Vom Immobilienmarkt geht jedoch auch eine Gefahr aus. Um 15 bis 30 Prozent seien Immobilien in den deutschen Städten bereits überbewertet, warnt Bundesbank-Vizechefin Claudia Buch. Da über 50% aller Kredite an private Haushalte Wohnungsbaukredite sind, könnte der Immobilienmarkt Auslöser einer Bankenkrise werden. Weil mit weiter steigenden Preisen gerechnet wird, lockern Banken die Kreditstandards. Eine kreditgetriebene Spekulationsdynamik ist zwar noch nicht absehbar, mit einer Fortsetzung der Null- und Negativzinspolitik steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Blase kommt. Ein Kollabieren der Immobilienpreise und eine damit einhergehende Entwertung der Kreditsicherheiten in den Büchern der Kreditinstitute wären die Folge. Der Bankenabwicklungsfonds wäre schnell überfordert und der Bankensektor der gesamten Euro-Zone könnte ins Wanken kommen. Der Immobilienboom sowie die steigenden Ausgaben für die Infrastruktur lassen das Baugewerbe optimistisch in die Zukunft blicken. Die Präsidenten des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB), Peter Hübner, und des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), Reinhard Quast, stehen 2020 äußerst positiv entgegen: „Insgesamt rechnen wir für 2020 mit einem Umsatzwachstum im Bauhauptgewerbe von 5,5% auf 145 Mrd. Euro.“ Vor großen Herausforderungen steht die deutsche Automobilbranche , die scheinbar schon den Anschluss verloren hatte. Die Ansiedlung der weiteren Giga-Factory von Tesla wird den Automobilstandort Deutschland vorerst weiterhin stärken. Der Technologiewandel im Automobilbereich hat zunächst die Zuliefererbranche härter getroffen und wird zu einer weiteren Konsolidierung in den folgenden Jahren führen. Das Thema Mobilität wird in 2020 weiter bestimmendes Thema sein. Nicht zuletzt aufgrund des neuen Anspruchs der Konsumenten für Mobilität steckt die Automobilbranche in der Krise und unterliegt dem Transformationsdruck. Besonders autonomes Fahren wird neben der Antriebsfrage die Autobauer in den kommenden Jahren beschäftigen. Die notwendige Software steht bereits zur Verfügung, die größte Hürde ist hier jedoch die Politik. Fortbewegung soll umweltfreundlich, also möglichst CO2-neutral sein. Nachhaltigkeit, Individualität, optimierte Kostenposition treten für die meisten Kundengruppen in den Vordergrund. Die Bundesregierung arbeitet unentwegt Maßnahmen aus, um Deutschland in Sachen Mobilität neu aufzustellen. Der Schienenpersonenverkehr soll durch eine Steuersenkung für Bahnfahrten von 19 % auf 7 % und damit einhergehend sinkenden Ticketpreisen sowie einem Ausbau von Bahnstrecken gestärkt werden. Darüber hinaus soll die Attraktivität des ÖPNV, u.a. durch kostenfreie Nutzung, gesteigert werden. Die stockende Weltkonjunktur, Handelskonflikte und der Strukturwandel in der Autoindustrie werfen ihre Schatten auf den Maschinenbau und sorgen für ungleiche Entwicklungen in der mittelständisch geprägten Branche. Für 2020 rechnet der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) mit einem erneuten Rückgang der Maschinenproduktion um 2 %. Dies betrifft jedoch nicht alle Bereiche, da die Nachfrage bei Maschinen- und Anlagenbauern, die vor allem Prozessindustrien und Bauunternehmen beliefern, weiterhin sehr hoch ist. Für die besonders stark vertretenen klassischen Industrieausrüster ist die Lage laut VDMA-Chef Carl Martin Welcker angespannt. Aber auch in der Chemie-Industrie ist die Krise angekommen. Neben einem schwankenden Konjunkturumfeld sind die wachsenden Herausforderungen in Nachhaltigkeit und Klimaschutz sicherlich die maßgeblichen Gründe. Die Kunststoffbranche gehört zu den „Opfern“ des Klimaschutzes und der Automobilkrise. Sie sind damit gleich zwei Problemen ausgesetzt. Auf der einen Seite stehen die Autohersteller, die zu den wichtigsten Kunden von Kunststoffprodukten gehören. Auf der anderen Seite steht das en vogue gewordene Thema Umweltschutz, das auch einen Veränderungsprozess in der Kunststoffbranche nach sich ziehen wird. Neue Gesetzesentwürfe zu Einwegplastikartikeln machen es den Kunststoffherstellern zusätzlich schwer. Der Trend zu mehr Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz wird in der Branche in 2020 zu einem Rückgang führen. Darüber hinaus verunsichern die weiterhin in der Politik existierende Idee einer Besteuerung von Kunststoffverpackungen, zum Zweiten die strengeren rechtlichen Vorgaben zur Recyclingförderung. Die Energiebranche leidet derweil unter fehlenden Lösungen und einer unzureichenden Infrastruktur für eine erfolgreiche Energiewende. Ab 2021 werden durch die CO2-Bepreisung (25 €/Tonne CO2) nicht nur die Preise an den Tankstellen steigen, auch eine Erhöhung der Strom- und Gaspreise ist zu erwarten. Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit gehen mit der Einführung dieser zusätzlichen Kosten besonders bei KMUs einher. Längst ist Deutschland infrastrukturell jedoch nicht für die Energiewende vorbereitet. Eine Prognose des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI) prognostiziert, dass Deutschlands Stromverbrauch innerhalb des kommenden Jahrzehnts um 25% steigen wird. Die erhöhte Stromnachfrage wird sich nach aktuellem Stand und voraussichtlich auch in den nächsten 10 Jahren nicht vollständig durch erneuerbare Energien abdecken lassen, die derzeit gerade einmal 43 % des aktuellen Energieangebots in Deutschland ausmachen. Wir bleiben damit weiterhin abhängig von den Gas-Lieferungen aus Russland. Beim Thema Energiewende steckt Deutschland nach wie vor in der Zwickmühle. Politi sche Diskussionen werden auch in 2020 maßgebliche Unsicherheitsfaktoren darstellen. Eine langsam wachsende Weltkonjunktur , weiterhin zunehmender Protektionismus, die Brexitverhandlungen in Großbritannien sowie Neuwahlen in den USA. Neben diesen Unsicherheiten haben auch die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten erheblichen Einfluss auf die Kapitalmärkte und die Entwicklung des Ölpreises die auch in 2020 Schwankungen unterliegen werden. Deutschland ist als Exportnation besonders anfällig, da kein anderes Land mehr Handelspartner hat und so abhängig vom globalen Welthandel ist. Wenn es tatsächlich zu Zöllen auf europäische Autos kommt, wird nicht nur die Automobilindustrie, sondern die gesamte deutsche Konjunktur aus der Spur fliegen. Insgesamt wird die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr, aufgrund vereinzelter robuster Branchen und dem privaten Konsum als wichtigste Stütze der Konjunktur, auf den ca. 52% der Wirtschaftsleistung entfällt, weiter wachsen. Jedoch sind schnellstmögliche Lösungen erforderlich, wie die wachsenden Herausforderungen gemeistert werden können, um auf Innovationen, Veränderungsprozesse und Branchenverschiebungen kurzfristig reagieren zu können. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist ein Rückfall in die Massenarbeitslosigkeit, wie bei früheren Krisen, nicht zu erwarten, da die Unternehmen alles daran setzen werden ihre Arbeitskräfte zu halten, so dass eine veritable Krise am Arbeitsmarkt nicht in Sicht ist.
Dr. Bernhard Becker