Keine Angst vor Transformationsprozessen
Die 3R – Reflektion, Respekt, Resilienz – und wie sie gelingen können
Keinesfalls ist der Begriff Transformation als „Revolution“ oder Befreiungskampf zu verstehen. Es geht auch nicht um eine gewaltsame Änderung oder einen totalen Bruch mit der Vergangenheit. Vielmehr ist es ein Prozess des Wandels, der durchlaufen werden muss, der vorhandene Potenziale stärkt und neu zur Entfaltung bringt. Den bekannten und hinderlichen Mustern den Rücken kehren und dadurch Veränderungen bewirken, die vielleicht auch eine neue Identität mit sich bringt. Transformation ist für Jüngere eine ehe normaler Vorgang, während es gerade Ältere im Sinne des „früher war alles besser“ oft härter trifft. Dank Hegel können wir auch unser Leben als Prozess begreifen und unsere derzeitigen Lebensumstände (Wahrheiten) als das sehen, was sie im Augenblick sind. Die Verhältnisse unterliegen einer permanenten Veränderung. Auch das Älter- und möglicherweise Gebrechlicher werden gilt es als einen logischen Prozess zu akzeptieren. Sich damit im Sinne einer Synthese als neue Ausgangsthese abzufinden und auch Verantwortung rechtzeitig zu übergeben. Oder wie Meister Yoda, in Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi gesagt hat: „Wir sind, worüber sie hinauswachsen. Das ist die wahre Bürde aller Meister“. Anders ausgedrückt bedeutet es, dass es das Schicksal, das Los, der Prozess aller Meister, Ausbilder, Eltern etc. ist, dass ihre Schüler, Kinder etc. über sie hinauswachsen und besser werden. Wie wunderbar wäre das dann, wenn Mann oder Frau dieses akzeptieren würde und damit leben könnte. Um wie viel leichter wären Handlungen und Ausrichtungen im privaten und beruflichen Umfeld. Lasst die jungen doch besser sein, schließlich haben wir sie ausgebildet, damit sie mal besser werden. Ist es aber dann so weit, dass Staffelstäbe übergeben werden sollen, tun sich die Fünfzig- bis Sechzigjährigen schwer das umzusetzen. Lieber nehmen sie noch mal den Wettkampf auf und meinen, dass die Erfahrung am Ende schon die Kraft und Geschwindigkeit wettmacht. Mitnichten. Was für ein Unsinn, es nicht rechtzeitig zu tun. Ganz häufig ist dieses Phänomen bei „älteren“ Geschäftsführern, die auch gleichzeitig Gesellschafter sind, zu beobachten. Viele verpassen den Zeitpunkt einer geeigneten Übergabe. Entweder, weil sie nicht rechtzeitig eine Nachfolge aufgebaut haben, oder schlichtweg, weil sie nicht loslassen können oder wollen. Besser ist ein Miteinander im Verständnis des Prozesses. Warum also in den letzten Jahren des Berufslebens noch das gesamte Profil herunterfahren. Wir haben alle nur ein Profil. Wenn das runter ist, kommt die Felge und wir sind platt. Nehmen wir es erneut mit Hegel mit der Voraussichtbarkeit der Prozesse und der damit verbundenen Vernunft. Respekt stammt vom lateinischen Begriff „respectio“ ab und bezeichnet eine Ausdrucksform der Aufmerksamkeit oder auch der Wertschätzung und Ehrerbietung anderen Lebewesen gegenüber. Ehrerbietung, Wertschätzung, Aufmerksamkeit. Die großen Themen des Umgangs mit sich und mit anderen. Fangen wir bei uns selbst an. Respektieren wir uns selbst in unserem Körper in unserer Welt? 1972 schrieb Robert Palmer ein Lied, das bis heute ein Ohrwurm ist. „Respect yourself“. „Wenn Du Dich selbst nicht leiden kannst, wird niemand etwas mit Dir zu tun haben wollen“. „Wenn Du durchs Leben ziehst, mit der Erwartung, dass die Welt Dir etwas schuldet, nur weil Du da bist“ sind nur zwei Auszüge aus dem Text. Respektiere dich selbst. Vielfältige Methoden können dazu beitragen, besser mit sich umzugehen und im Reinen zu sein. Wenn man das nicht ist, bleibt man unzufrieden und strahlt dieses auch aus. Bin ich es aber, werde ich auch mit meiner Umgebung besser umgehen. Meine Mitmenschen respektieren. Mit der Natur achtsamer im Austausch sein. Harmonischer in Ehe, Partnerschaft, Beruf und Unternehmen sein. Seit Darwin wissen wir, dass wir alle aus der gleichen Keimzelle stammen. Dann dürfte es doch im Grunde nicht so schwierig sein, mit anderen Volksgruppen oder Glaubensrichtungen, Kollegen und Geschäftspartnern im Einklang zu stehen. Oder wie Kant es sagte, behandle die anderen stets so, wie du von ihnen behandelt werden möchtest. Mit Aufmerksamkeit und Respekt. Wenn ein jeder nur ein wenig dieses Verständnisses mittragen würde, hätten wir keine Kriege und keine Umweltsünden. Die dialogische Vernunft von Sokrates würde uns ohne Vorbehalte zur Lösung im Umgang mit uns und den anderen führen. Alle zusammen sind wir „WIR“ und dennoch machen wir den Unsinn, uns nicht wie „EINS“ zu behandeln. Macht, Ehrgeiz und Streben nach Reichtum des Einzelnen stehen dem kollektiven Wohlbefinden im Wege. Der aus der Biologie stammende Begriff der Resilienz bezeichnete ursprünglich die Fähigkeit von Lebewesen und Ökosystemen, nach einem Schock wieder in einen voll funktionsfähigen Normalzustand zurückzufinden. Dies lässt sich auch auf Unternehmen, deren Führung und alle Mitarbeiter übertragen. In Zeiten schnellen Wandelns und sofortiger Not reagieren zu müssen, kann Resilienz im Sinne der Widerstandsfähigkeit als Kernkompetenz im Management helfen. So bedarf es neben der Formulierung eines schlüssigen Unternehmensleitbildes der Etablierung eines stabilen Wertgerüstes im Unternehmen. Resiliente Organisationen besitzen Flexibilität im Umgang mit Krisen. Die Realität wird akzeptiert, man geht offen mit Widerständen und Scheitern um. Das Management plant für potenzielle Krisen voraus. Überlebensstrategien werden trainiert, bevor der Ernstfall eintritt. Hierbei wird ein gesundes Gleichgewicht aus Effizienz im Hier und Jetzt und zukünftiger Risikovorbeugung gefunden. Unternehmen mit Widerstandskraft halten Optimismus und Sinngebung aufrecht, sie bauen auf einem stabilen Wertesystem auf. Dies gibt Halt in schwierigen Situationen. Zudem sind resiliente Organisationen agil aufgestellt: Sie sind fähig, zu improvisieren und alle Ressourcen für die Problembewältigung einzusetzen. Investitionen in Resilienz lohnen sich für ein Unternehmen, auch wenn dafür die Gewinnmaximierung eingeschränkt werden muss. Denn nur so ist das zukünftige Überleben des Betriebs garantiert.
Dr. Bernhard Becker