
Die Baubranche und die Umsatzsteuer
Mit Urteil vom 22. August 2013 stellte der BFH rückwirkend neue Grundsätze im Zusammenhang des Übergangs der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger auf. Bitte was …? Ich verstehe kein Wort! Zugegeben, auf den ersten Blick wird die ganze Dramatik noch nicht erkannt. Hierzu ist es im ersten Schritt notwendig, zwei wesentliche Begrifflichkeiten steuerlich zu unterscheiden. Was ist der Unterschied zwischen Bauträger und Bauleister / Generalunternehmer? Bauträger ist ein Unternehmer, der Gebäude auf eigenem Grund und Boden errichtet und nach Fertigstellung veräußert. Nach Auffassung des BFH erbringen diese Unternehmer aus umsatzsteuerlicher Sicht keine Bauleistungen, sondern Lieferungen der fertigen Gebäude. Bauleister oder Generalunternehmer ist ein Unternehmer, der Gebäude auf fremdem Grund und Boden im Auftrag einer bestimmten Person errichtet. Nach Auffassung des BFH erbringen diese Unternehmer aus umsatzsteuerlicher Sicht Bauleistungen und keine Lieferungen. Nach dieser Unterscheidung ist folgender Praxisfall zu untersuchen: Der Bauträger X-Bau hat in der Vergangenheit sowohl Leistungen als Bauträger als auch Leistungen als Generalunternehmer erbracht. Wie in der Branche üblich, wurden viele Gewerke an Subunternehmer vergeben. Die Finanzverwaltung hat in diesen Mischfällen, in denen der Bauunternehmer zu mehr als zehn Prozent Leistungen als Generalunternehmer erbringt, entschieden, dass der Bauunternehmer insgesamt aus Sicht der Umsatzsteuer Bauleistungen erbringt. Dies führte zu einer folgenschweren umsatzsteuerlichen Entscheidung: Für alle Leistungen der Subunternehmer an den Misch-Bauunternehmer ist die Umsatzsteuerschuld auf den Leistungsempfänger (X-Bau) übergegangen. Für die Praxis und unseren Sachverhalt bedeutet das, dass sämtliche Subunternehmer Netto-Rechnungen an X-Bau geschrieben haben und X-Bau hierfür die Umsatzsteuer an das Finanzamt entrichten musste (umsatzsteuerlich = Übergang der Steuerschuldnerschaft). Diese von der Finanzverwaltung aufgestellte Vorgehensweise wurde durch die BFH-Richter als fehlerhaft untersagt. Die Richter führten in diesem Zusammenhang aus, dass die Zehn-Prozent- Grenze nicht dem Umsatzsteuergesetz zu entnehmen ist und insofern eine genaue Zuordnung der Eingangsumsätze der Subunternehmer zu den Ausgangsumsätzen des Bauunternehmers vorzunehmen ist. Aufgrund der Rückwirkung der BFH-Entscheidung sind viele Umsatzsteuererklärungen fehlerhaft. Die finanziellen Auswirkungen einer Korrektur können insbesondere für Bauträger auf der einen Seite höchst erfreulich und für deren Subunternehmer auf der anderen Seite existenzbedrohend sein. Auch Bund und Länder müssen mit Steuerausfällen in Milliardenhöhe rechnen. Der Gesetzgeber hat hierauf mit einer Gesetzesanpassung zum 1. Oktober 2014 reagiert und zukünftig neue Spielregeln für den Leistungsaustausch in der Baubranche geschaffen. Haben Sie hierzu Fragen? Sprechen Sie uns gern an!