
Gerichtsverfahren per Videokonferenz – ein Zukunftsmodell?
Rechtlich bereits seit 2013 möglich – Corona-Krise treibt Praxis voran
Nun ist § 128a ZPO (Zivilprozessordnung) aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Danach kann das Gericht den Parteien auf Antrag oder von Amtswegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und von dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. Auf Antrag können sogar Zeugen vernommen werden, die sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhalten. In vielen deutschen Gerichten ist die notwendige Technik bereits vorhanden. Das Landgericht München I hat jüngst eine erste mündliche Verhandlung mit einer neuen Videokonferenzanlage erfolgreich durchgeführt. Verhandelt wurde ein Patentrechtsstreit vor einer Kammer, die auf Patent- und Urheberrecht spezialisiert ist. Rechts- und Patentanwälte beider Seiten hatten sich dann jeweils aus ihren Kanzleiräumen dazugeschaltet. Die Richter konnten dann unter Einhaltung des Sicherheitsabstandes von 1,5 Metern agieren. Ob sich ein Verfahren für eine Videokonferenz eignet, entscheiden die zuständigen Richter. Die Verhandlung kann zum Beispiel über Skype for Business oder ähnliche Dienste durchgeführt werden. Per Gerichtsbeschluss wird den Parteien dann aufgegeben bis eine Woche vor der mündlichen Verhandlung mitzuteilen, ob eine Teilnahme per Videokonferenz gewünscht wird. Häufig wird vor dem eigentlichen Termin dann eine Test-Schalte durchgeführt. In einem aktuellen Urteil hat das Kammergericht (KG) Berlin es sogar für zulässig gehalten, private Rechner und Videokonferenzsoftware der Richter im Rahmen einer solchen virtuellen mündlichen Verhandlung einzusetzen, vergleiche Urteil des KG Berlin vom 12. Mai 2020, Az: 3 1 125/19. In dem Urteil wurde allerdings nicht die sich daraus ergebende Problematik nach der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) angesprochen. Zu privat sollte es aber nicht werden. Jüngst sorgte ein Video auf YouTube für Aufsehen, das einen brasilianischen Richter bei einer Zoom Konferenz zeigte, und zwar oben ohne. Ein Fehlverhalten des Richters war aber nicht festzustellen, denn der Richter hatte nicht gewusst, dass die Kamera schon eingeschaltet war. Zur Verhandlung erschien er dann mit zugeknöpftem Hemd, wenn vielleicht auch etwas zugeknöpft.