
Zu viele Finger bereiten selten Probleme
„Ist alles dran?“ fragen Eltern eines Neugeborenen manchmal die Hebamme. Damit drücken sie aus, dass es nicht selbstverständlich ist, dass ein Kind „vollständig“ auf die Welt kommt. Angeborene Fehlbildungen (nicht Missbildungen!) sind zwar die Ausnahme, kommen aber, gerade auch an den Händen, immer wieder vor. In den allermeisten Fällen sind diese Fehlbildungen harmloser Art und stören das Kind kaum oder gar nicht. Zu viele oder zu wenige? Eine angeborene Beugesehnenverengung führt dazu, dass der Daumen im Endgelenk gekrümmt ist. Eine kleine Operation, die nur wenige Minuten dauert, schafft hier Abhilfe. Was können Handchirurgen tun? Zuallererst können sie in den meisten Fällen die Eltern beruhigen! Wenn die Handfehlbildung nicht Bestandteil eines „Syndroms“ ist, also keine zusätzlichen Fehlbildungen vom Herz oder anderen Organen bestehen, ist fast immer eine gute Behandlungsmöglichkeit gegeben. Was kann man operieren? Zusammengewachsene Finger werden getrennt. Dies erfordert spezielle Schnittführungen, um eine Vernarbung während des Wachstums zu verhindern und fast immer Hautübertragungen. Die erforderliche Haut entnehmen die Chirurgen der Ellenbeuge. Zusätzliche Finger werden entfernt, dies kann einfach, manchmal aber auch sehr kompliziert sein, wenn die kleinen Fingerknochen „schief und krumm“ angeordnet sind. Fehlt der Daumen, der wichtigste Finger der Hand, wird der Zeigefinger zum Daumen gemacht. Diese Operation heißt Pollizisation, auf Deutsch „Daumenbildung“ und ermöglicht funktionell und ästhetisch sehr gute Ergebnisse. Autor dieses Beitrags: Dr. Andreas Settje, Hand- und Plastische Chirurgie Oldenburg, Aesthetik Team Oldenburg.
Wenn zum Beispiel Mittel- und Ringfinger zusammengewachsen sind (Syndaktylie), ist die Funktion der Hand nicht beeinträchtigt, da die Finger gleich lang sind. Ist allerdings der Daumen mit dem Zeigefinger verwachsen, besteht ein erhebliches Problem, da der Daumen frei beweglich sein muss, um die wichtigsten Greifformen zu ermöglichen.
Wenn überzählige Finger vorhanden sind (Polydaktylie, am häufigsten sechs, in manchen Fällen bis zu acht Finger), stört dies die Funktion nur, wenn die zusätzlichen Finger nicht bzw. schlecht beweglich sind.
Während ein „Zuviel“ in der Regel kein Problem darstellt, ist ein „zu wenig“ eher von Nachteil. Man spricht hier von einer Reduktionsfehlbildung, weil die Zahl der Finger oder ganze Teile der Hand reduziert sind. Fehlen einzelne Finger, kann die Hand dennoch gut funktionieren.
Ist allerdings der Daumen nicht vorhanden oder stark verkümmert (Daumenhypoplasie oder Aplasie), fehlt die wichtigste Greifform. Diese beruht darauf, dass der Daumen den Fingern gegenüber gestellt wird (Opposition). In seltenen Fällen werden Babys mit nur einem oder zwei Fingern geboren oder sogar ohne eine Hand.
Ist eine operative Therapie sinnvoll, wird man diese bereits sehr früh durchführen, manchmal innerhalb des ersten Lebensjahres, fast immer bis spätestens zum zweiten Geburtstag.
Dadurch erreicht man, dass sich die Kinder schnell an die für sie neue Situation nach der Operation gewöhnen.
Bei operierten Kindern fällt es selbst den Kita-Betreuern oder Lehrern schwer, zu erkennen, dass eine Fehlbildung vorgelegen hat. Angeborene Handfehlbildungen sind anfänglich immer ein großes Kümmernis für die Eltern. Diese Sorge legt sich jedoch meistens nach einer erfolgreichen Korrekturoperation, wenn sie erkennen, wie ihr Kind sich frühzeitig auf die Situation einstellt und munter die betroffene Hand benutzt.