Die dunklen Seiten der Schadensregulierung
Select-Verträge und Prüfberichte bergen Überraschungen – Ärger im Vorfeld vermeiden
Ein Kaskoschaden liegt vor, wenn ein Schaden am eigenen Kraftfahrzeug durch einen Unfall selbst verursacht wurde (Vollkasko), oder wenn das Fahrzeug durch ein anderes versichertes Ereignis zu Schaden kommt, wie z. B. Diebstahl, Glasbruch oder Naturgewalten (Teilkasko). In diesem Fall hat der Versicherungsnehmer gemäß den jeweiligen Versicherungsbedingungen Anspruch auf Schadenersatz. Er ist jedoch den Vorgaben seines Versicherers mehr oder weniger unterworfen: Vielen Geschädigten ist z. B. nicht bewusst, dass sie einen sogenannten Select-Tarif abgeschlossen haben. Bei dieser vermeintlich „günstigeren“ Vertragsvariante bindet der Versicherer die Schadensregulierung an bestimmte Werkstätten, sogenannte Partnerwerkstätten. Die Qualität der Werkstatt, weite Wege, oder ein Ersatzwagen können ebenso zum Problem werden wie Schäden an Leasing- und Finanzierungs-Fahrzeugen, da sie in der Regel in eine markengebundene Vertragswerkstatt müssen. Diese kann vom Versicherer verwehrt werden. Dazu kommt: Beim Kaskoschaden liegt die Weisungsbefugnis für die Beauftragung eines Sachverständigen beim Versicherer. Gemäß Erfahrung unseres Experten lesen viele Kunden die Versicherungsverträge nicht. Sein Tipp: „Checken Sie Ihren Vertrag. Mit einem Select-Vertrag spart man in der Regel weniger als man im Fall des Falles draufzahlt. Um Überraschungen zu vermeiden, sollte man vorab klären, in welche Werkstatt man sein KFZ im Schadensfall laut Vertrag konkret bringen darf. Insbesondere sollte man sich die Frage stellen, ob der Vertrag zum Leasing- oder Finanzierungsvertrag passt“. Ein Haftpflichtschaden liegt vor, wenn man als Unfallbeteiligter nicht der Unfallverursacher, sondern der Geschädigte ist. Die Versicherung des Verursachers muss die gesamten Kosten tragen, die durch den Schaden entstanden sind. Auf Grundlage des § 249 BGB liegt die Entscheidungsgewalt hier beim Geschädigten: Ist das Gutachten erstellt, wird es dem Versicherer des Unfallgegners zur Regulierung vorgelegt. Der Geschädigte kann sich für eine monetäre Regulierung nach Gutachten (sog. fiktive Abrechnung) entscheiden. Laut unseres Experten kommt in ca. 80 % der Fälle von der Versicherung ein Prüfbericht zurück. Wie er erklärt, bedienen sich diverse Versicherungen automatisierter Prüfdienstleister. Diese bieten den Versicherern ein elektronisches Einsparmodell. Bei den automatisierten Prüfberichten gibt es teilweise rigorose Kürzungen. Betroffen sind insbesondere Stundenverrechnungssätze, Ersatzteilpreisaufschläge, Verbringungskosten, Richtwinkelsatzkosten, Wiederbeschaffungswert und Restwert. Laut unserem Experten werden die Kürzungen in den letzten zwei Jahren auch auf die Rechnungen nach Reparatur angewendet. „Der BGH hat bereits 2014 festgestellt, dass das unabhängige Gutachten Priorität vor dem Prüfbericht hat“, so Becker: „Deshalb sollten Geschädigte die Prüfbericht-Praxis nicht hinnehmen und frühzeitig, mit dem Gutachten in der Hand flankierend einen Anwalt hinzuziehen“.
Er hat ein Recht darauf, den Gutachter seines Vertrauens ebenso wie den Reparaturbetrieb zu bestimmen und es steht ihm auch zu, einen Anwalt einzuschalten. Dazu rät unser Experte: „Aufgrund der Geschehnisse im Tagesgeschäft empfehle ich keine Unfallschadensregulierung ohne Anwalt vorzunehmen“. Warum?