Recht
>Unerwartetes Studium verpflichtet nicht zu Ausbildungsunterhalt
Unerwartetes Studium verpflichtet nicht zu Ausbildungsunterhalt
Eigene Lebensplanung der Eltern kann im Einzelfall entgegenstehen
Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann die Verpflichtung zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt entfallen, wenn der Unterhaltsschuldner nach Jahren ohne Kontakt zu seiner Tochter nicht mehr damit rechnen muss, dass sie noch ein Studium aufnimmt. In dem vom BGH am 03.05.2017 (Az. XII ZB 415/16) entschiedenen Fall war der Vater vom Land Hessen auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt in Anspruch genommen worden. Das Land gewährte der damals 26-jährigen Tochter nach Aufnahme des Medizinstudiums im Jahre 2010 BAföG, so dass das Land deshalb den Unterhaltsanspruch der Tochter geltend machen konnte. Die Tochter hatte sich nach dem Abitur im Jahr 2004 zunächst erfolglos für einen Medizinstudienplatz beworben, dann eine Ausbildung als anästhesietechnische Assistentin absolviert und auch zwei Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Dass sie noch beginnen würde, Medizin zu studieren, teilte sie ihrem Vater nicht mit. Dieser erfuhr davon erst, als er vom Studierendenwerk zur Auskunft über sein Einkommen aufgefordert wurde. Vater und Tochter hatten nie zusammengelebt und sich seit ihrem 16. Lebensjahr nicht mehr gesehen. Zum Abitur der Tochter schrieb der Vater einen Brief, in dem er ihr mitteilte, dass er einerseits vom Abschluss der Schulausbildung ausgehe und andererseits davon, ihr keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Ansonsten möge sich seine Tochter bei ihm melden. Eine Reaktion der Tochter auf den Brief erhielt er nicht. Der BGH entschied, dass eine Verpflichtung des Vaters zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt zum Zeitpunkt der Aufnahme des Studiums nicht mehr bestand und gab damit dem Vater Recht. Der Unterhalt eines Kindes umfasst gem. § 1610 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch die Kosten einer angemessenen Ausbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird die Finanzierung einer Ausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den Neigungen des Kindes am besten entspricht und die den Eltern wirtschaftlich zumutbar ist. Erforderlich ist dabei, dass es sich um einen einheitlichen Ausbildungsgang handelt, was – wie hier – auch gegeben sein kann, wenn das Kind nach Abschluss der Schule zunächst eine Lehre und danach ein im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehendes Studium absolviert (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Praktische Ausbildung und Studium müssen sich dabei sinnvoll ergänzen. Sowohl von dem zeitlichen als auch dem sachlichen Zusammenhang ging der BGH hier trotz zwischenzeitlicher Berufstätigkeit der Tochter aus. Dass dieser Punkt durchaus streitig sein kann, zeigt eine weitere BGH-Entscheidung vom 08.03.2017 (Az. XII ZB 192/16) in der es darum ging, ob ein Lehramtsstudium der Wirtschaftspädagogik mit Schwerpunktbereich katholische Theologie noch im engen sachlichen Zusammenhang mit einer vorangegangenen Banklehre steht. Der BGH hielt es zumindest für möglich, dass die Banklehre auch dem Studium, das zur Hälfte aus Wirtschaftswissenschaften bestehe, dient und hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf, das den Zusammenhang verneint hatte. Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt ist vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Erforderlich ist neben dem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang daher auch, dass das unterhaltsberechtigte Kind das Studium mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit aufnimmt und beendet. Eine feste Altersgrenze, ab wann der Ausbildungsunterhalt zu versagen ist, gibt es dabei nicht. Maßgeblich bei der Einzelfallbewertung ist vor allem, ob und inwieweit für die Eltern absehbar ist, dass das Kind weitere Ausbildungsstufen anstrebt, damit sie ihre eigene Lebensplanung darauf einstellen können. Letztlich ging der BGH im vorliegenden Fall davon aus, dass die Inanspruchnahme des Vaters unzumutbar ist, weil der Vater nicht mehr damit rechnen musste, dass seine Tochter im Alter von 26 Jahren noch ein Studium aufnehmen würde. Im Vertrauen darauf hatte er bereits verschiedene längerfristige finanzielle Dispositionen getroffen. Der BGH hielt dieses Vertrauen auch deshalb für schützenswert, weil die Tochter ihn trotz Nachfrage nicht über ihre Studienpläne informiert hatte. Autor des Beitrages: Rechtsanwalt