Einheitspatente in der Warteschleife
Bundesverfassungsgericht legt Verfahren vorerst auf Eis
Bei dem jetzt gestarteten Anlauf sollen die vom Europäischen Patentamt in München erteilten Patente entweder wie bisher in nationale Patente oder alternativ in ein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung in den teilnehmenden EU-Staaten umgewandelt werden. Die Patentschrift muss in Deutsch (oder einer anderen Sprache) und in Englisch, und die Patentansprüche müssen in allen drei Sprachen des Amtes (Deutsch, Englisch, Französisch) vorliegen. Die Durchsetzung erfolgt über nationale Gerichte in den teilnehmenden Staaten oder eine Zentralkammer mit Sitz in Paris und Zweigstellen in München und London. Die Berufung erfolgt vor einem neu zu schaffenden Gericht in Luxemburg mit Revision zum Europäischen Gerichtshof (EuGH). EU-Verordnungen über ein Einheitliches Patentgericht und das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung sind 2013 in Kraft getreten, sollten aber erst Anwendung finden, wenn mindestens 13 Staaten die Ratifikationsurkunden hinterlegt haben – sofern darunter die drei Staaten mit den meisten Patentanmeldungen, nämlich Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich sind. Inzwischen haben 16 Staaten die Ratifikationsurkunden hinterlegt, darunter Frankreich und das Vereinigte Königreich. Durch den Brexit ist es jedoch sehr zweifelhaft, ob eine Teilnahme des Vereinigten Königreichs überhaupt möglich ist. Der EuGH hatte vor einigen Jahren geurteilt, dass nur EU-Staaten an dem einheitlichen Patentsystem beteiligt sein können. Innerhalb des Gerichtssystems ist der EuGH die letzte Instanz, und gerade dessen Rechtsprechungsautorität will das Vereinigte Königreich nicht mehr anerkennen. Britische Wirtschaftskreise sind jedoch sehr an einer Teilnahme des Vereinigten Königreichs interessiert, zumal auch eine Zweigstelle der Zentralkammer des Patentgerichts ihren Sitz in London haben sollte. In Deutschland wurde das entsprechende Gesetz 2017 vom Bundestag verabschiedet. Bevor es vom Bundespräsidenten ausgefertigt werden konnte, bat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgrund einer nicht offensichtlich aussichtslosen Verfassungsbeschwerde, die Gesetze noch nicht auszufertigen. Ein Düsseldorfer Rechtsanwalt hatte – basierend auf einer Mehrzahl von Gründen – unter anderem Bedenken gegen die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens vor dem Europäischen Patentamt und auch hinsichtlich des Gesetzgebungsprozesses in Deutschland Verfassungsbeschwerde erhoben. Das BVerfG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 13. Februar 2020 stattgegeben. Wesentlicher Punkt der Begründung ist die Übertragung von Hoheitsrechten mit einfacher Mehrheit. Mit dem Beschluss fordert das BVerfG für derartige Übertragungen von Hoheitsrechten eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages. Die übrigen Punkte der Beschwerde scheint das BVerfG als weniger substanziell zu bewerten. Die Bundesministerin der Justiz, Christine Lambrecht, hat am 26. März 2020 verkündet, dass man die Entscheidung auswerten werde und den Formmangel noch in dieser Legislaturperiode beheben wolle. Diese Zielsetzung ist aufgrund der Corona-Krise wohl nicht zu halten. Auch der Verbleib des Vereinigten Königreichs bei einem Inkrafttreten erst nach dem Brexit ist alles andere als gesichert, sodass sich das Startdatum zumindest um mehrere Jahre verzögern dürfte. Aus unserer Sicht ist dies auch kein großer Verlust. Denn der eigentlich gute Gedanke und Ansatz des Einheitspatents wird durch die Verfahrensordnung und insbesondere die erstattungsfähigen Kosten, die das Patentverletzungsverfahren etwa drei bis vier Mal so teuer wie ein entsprechendes deutsches Verfahren machen, stark verwässert. Vielmehr könnte so eine Gefahr für den Mittelstand entstehen und ein Erpressungspotenzial über das Kostenrisiko eröffnet werden.
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