Ausfallschaden nach einem Verkehrsunfall
Nach einem Verkehrsunfall hat der Geschädigte gegen den Geschädigten und dessen Haftpflichtversicherer unterschiedliche Schadenersatzansprüche. Neben den Reparaturkosten und einem etwaigen Personenschaden spielt der Ausfallschaden in der täglichen Praxis eine auch wirtschaftlich immer größere Rolle: So, wie der PKW regelmäßig einen erheblichen Anteil am Gesamtvermögen des Geschädigten ausmacht, stellt auch der Ausfall des PKW aufgrund der erforderlichen Reparatur ein entsprechend großes Defizit dar. Das anerkennt die Rechtsprechung seit langen Jahren, und nach dem das gesamte Schadensersatzrecht bestimmenden Grundsatz, dass der Geschädigte nach einem unverschuldeten Schadenereignis nicht schlechter dastehen darf als ohne das Schadenereignis, steht dem Geschädigten das Recht zu, entweder einen Mietwagen für die Zeit des Ausfalls des eigenen PKW in Anspruch zu nehmen oder seine Mobilität durch andere Maßnahmen (leihweise Inanspruchnahme der Fahrzeuge von Verwandten und Bekannten, Nutzung des Fahrrades oder öffentlichen Verkehrsmitteln usw.) zu erhalten. In diesem letzteren Fall steht dem Geschädigten ein pauschalierter Schadenersatz, die sogenannte Nutzungsausfallentschädigung zu. Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung richtet sich zum einen danach, was für einen PKW der Geschädigte entbehren muss: Für einen Opel Corsa durchschnittlicher Ausstattung und Motorisierung beispielsweise ist eine kalendertägliche Pauschale von 35 Euro zu erstatten für einen Ford Mondeo in der Regel zwischen 43 und 59 Euro€, für einen Mercedes der E- Klasse zwischen 65 und 79 Euro€ bis hin zum Porsche, dessen Ausfall mit kalendertäglich bis zu 175 Euro zu bewerten sein kann. Die Einzelheiten richten sich darüber hinaus nach Motorisierung und auch nach dem Fahrzeugalter. Der Nutzungsausfall ist darüber hinaus in der Regel nur dann erstattungsfähig, wenn der PKW tatsächlich repariert wird, also tatsächlich ausgefallen ist oder wenn im Falle eines Totalschadens ein Ersatzfahrzeug angeschafft wird. Außerdem muss der Geschädigte überhaupt in der Lage sein, in der relevanten Zeit einen PKW zu steuern, was beispielsweise dann nicht der Fall ist, wenn er, möglicherweise unfallbedingt, verletzt ist und das Krankenbett hüten muss. Zu Streit führt immer wieder die Frage, für welchen Zeitraum der Nutzungsausfallschaden zu entschädigen ist. Im Rahmen seiner Schadenminderungspflicht ist der Geschädigte grundsätzlich gehalten, den Ausfallzeitraum gering zu halten. Wenn er also einen Verkehrsunfall hatte, so soll er nach Möglichkeit unverzüglich – sofern erforderlich – ein Schadengutachten einholen und dann die Reparatur in Auftrag geben bzw. im Totalschadensfalle für die Ersatzanschaffung Sorge tragen. Schon bei der Einholung des Sachverständigengutachtens kommt es jedoch immer wieder zu Verzögerungen, da die Versicherung als Vertreter des Schädigers erwartet, dass das Gutachten bestimmte Qualitätsvoraussetzungen erfüllt. Regelmäßig stellt sich nach einem Unfallhergang nämlich die Frage, ob möglicherweise die Reparaturkosten den Fahrzeugwert übersteigen, so dass neben den Reparaturkosten selbst auch der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges und der Restwert des also beschädigten Pkw ermittelt werden. Da der Versicherer des Schädigers ein hohes Interesse daran hat, den Schaden in möglichst geringem Umfange zu begleichen, stellt er an den Gutachter die Erwartung, dass umfangreiche Ermittlungen insbesondere zu einem (möglichst hohen) Restwert erfolgen. Dieses nimmt in der Regel mehrere Tage, bis zu einer Woche in Anspruch – mit der Folge, dass der Geschädigte in dieser Zeit überhaupt nicht tätig werden kann; denn in dieser Zeit weiß er schlicht und einfach noch nicht, ob sein PKW wirtschaftlich reparabel ist oder möglicherweise einen Totalschaden genommen hat. Auch diese Wartezeiten, die sich bei einer Reparaturdurchführung wiederholen können – z.B. durch einen Krankheitsfall in der Werkstatt oder Schwierigkeiten bei der Bestellung von Ersatzteilen – sind durch die Nutzungsausfallentschädigung zu vergüten, also mit zu rechnen. Dies ist aktuell durch das Amtsgericht Delmenhorst noch einmal klargestellt worden (Aktenzeichen 41 C 1071/ 13). Darin heißt es, dass zwar in dem Gutachten auch die voraussichtliche Dauer der erforderlichen Reparatur festgelegt wird. Die Verpflichtung des Schädigers geht jedoch nicht lediglich dahin, den Nutzungsausfall für diesen festgelegten Zeitraum zu begleichen, sondern für den tatsächlich eingetretenen Nutzungsausfall. Wenn also der Gutachter die Reparaturdauer beispielsweise mit fünf Tagen angegeben hat, die Reparatur jedoch tatsächlich zehn Tage gedauert hat, so ist der Nutzungsausfall für diese zehn Tage zuzüglich der vorausgegangenen Schadenermittlungsfrist, also der Frist für die Erstellung des Gutachtens, abzugelten. In Unkenntnis dieses Umstandes verzichten viele Geschädigte auf Ihren konkreten Anspruch. Die Rechtsprechung anerkennt darüber hinaus, dass in Grenzfällen, in welchen der Geschädigte sich nach einem Unfallschaden entscheiden muss, ob er seinen PKW trotz eines relativ hohen Schadens repariert oder eine Ersatzanschaffung tätigt, auch für diese Überlegungsfrist, die zeitlich zwischen vier Tagen und einer Woche zugesprochen wird, der Nutzungsausfallschaden beansprucht werden kann. Ein Hinweis des Schädigers bzw. seiner Haftpflichtversicherung auf diesen Umstand erfolgt natürlich (freiwillig) nicht. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Geschädigte genau prüfen sollte, ob der Schädiger den Nutzungsausfallschaden korrekt berechnet hat. Regelmäßig finden sich hier teilweise erhebliche Differenzen. Verzögerungen, die der Geschädigte selbst nicht verursacht hat, braucht er sich nicht entgegenhalten zu lassen. Insoweit gilt der Grundsatz des Prognoserisikos: Wenn der Geschädigte einen seriösen Gutachter und eine seriöse Werkstatt aufsucht, so darf sich darauf verlassen, dass dort der Schaden ordnungsgemäß abgewickelt wird. Wenn ihm ungewöhnliche Verzögerungen auffallen, muss er jedoch nachfragen. Der Autor: Rechtsanwalt Jürgen Dethlefs ist als Fachanwalt für Verkehrsrecht in der Kanzlei Hillmann und Partner, Gartenstraße 14, Oldenburg, und insbesondere im Verkehrsrecht in Unfallsachen, im Verkehrsstrafrecht und im Ordnungswidrigkeitenrecht tätig. Kontakt: Dethlefs@Hillmann-Partner.de; www.hillmann-partner.de .