Allgemeine Gesundheit
>Parkinson beginnt lange vor Bewegungsstörungen
Parkinson beginnt lange vor Bewegungsstörungen
Sie bewegen sich wie in Zeitlupe, eckig und steif. Sie zittern, gehen gebeugt und mit kleinen Schritten, sind manchmal völlig erstarrt. Für Menschen mit Parkinson sind solche Bewegungsstörungen eine enorme Belastung – körperlich und seelisch. Hier geben Experten Antwort auf wichtige Fragen.
Wann beginnt Parkinson? Dr. Pantea Pape:: Motorische Symptome treten erst auf, wenn bereits mehr als 60 Prozent der Nervenzellen untergegangen sind, die in einem Teil des Gehirns den Botenstoff Dopamin bilden. Den ersten Bewegungsstörungen gehen allerdings nicht-motorische Symptome voraus – häufig um mehr als fünf Jahre. Deshalb ist die möglichst frühe Diagnose von Parkinson so wichtig. Was sind frühe Anzeichen? Dr. Pantea Pape: Solche, bei denen man zunächst gar nicht an Parkinson denken würde. Dazu zählen schmerzhafte Muskelverspannungen, Verstopfung oder eine Störung des Geruchsinns. Häufig kommt es zu Beginn auch zu Schlafstörungen – die Betroffenen rudern mit den Armen, schlagen um sich und sprechen im Schlaf. Erste motorische Veränderungen kann man am Schriftbild erkennen: Die Buchstaben werden beim Schreiben immer kleiner und unleserlicher. Ich bin Anfang siebzig und meine beiden Hände zittern seit ein paar Jahren stark. Kann das Parkinson sein? Dr. Pape: Charakteristisch für das Zittern bei Parkinson ist, dass es einseitig beginnt und eine Seite immer stärker betroffen ist als die Andere. Bei einem beidseitigen Zittern, das unabhängig von Medikamenten auftritt, handelt es sich meist um einen so genannten essenziellen Tremor, der mit dem Ruhetremor bei Parkinson-Patienten nichts zu tun hat. Welche Bewegungsstörungen treten zuerst auf? Prof. Dr. Rüdiger Hilker-Roggendorf: Die ersten motorischen Parkinson-Symptome sind die gestörte Feinmotorik einer Hand oder das beschriebene Händezittern in Ruhestellung. Häufig schwingt ein Arm beim freien Gehen nicht so gut mit wie derjenige der Gegenseite. Auch die Körperhaltung kann etwas gebeugt sein. Zudem ist die Gesichtsmimik oft vermindert und wirkt maskenhaft. Was löst die Störungen aus? Prof. Hilker-Roggendorf: Die Ursache der Bewegungsstörungen ist der Untergang von Nervenzellen in der sogenannten Schwarzen Substanz des Gehirns, der Substantia nigra. Hier finden sich vor allem Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren und über diesen mit anderen Nervenzellen in Kontakt treten. Fehlt Dopamin in zunehmendem Maße, wird die Steuerung von Körperbewegungen im Gehirn gestört. Die Folge sind die typischen motorischen Störungen. Wie werden die Bewegungsstörungen behandelt? Prof. Hilker-Roggendorf: Die wichtigste Behandlungsmaßnahme bei Parkinson-Patienten ist die regelmäßige Einnahme von Medikamenten. Diese ersetzen entweder direkt den Botenstoff Dopamin oder ahmen seine Wirkung im Gehirn nach. Lässt die Wirkung der Medikamente mit den Jahren nach? Prof. Dr. Wolfgang Greulich: Einzelne Parkinson-Medikamente, die die Vorstufe von Dopamin enthalten, lassen im Laufe der Jahre in ihrer Wirkdauer nach, so dass sie häufiger am Tag eingenommen werden müssen. Dieses Problem lässt sich durch eine Dosiserhöhung oder durch die Einnahme zusätzlicher Medikamente gut lösen. Mein Arzt sagt, für L-Dopa sei es noch zu früh. Warum? Prof. Greulich: Sicher ist L-Dopa die am stärksten wirksame Substanz in der Parkinsontherapie. Wenn diese jedoch in jungen Jahren in hohen Dosen alleine zum Einsatz kommt, können nach vier bis fünf Jahren zusätzliche Probleme wie Hyperkinesen und Fluktuationen auftreten. Deshalb sollte bei jüngeren Patienten die Einnahme von Dopamin-Ersatzstoffen im Vordergrund der Behandlung stehen. Welche Möglichkeiten gibt es außer Medikamenten? Prof. Dr. Lars Timmermann: Für Parkinson-Patienten gibt es viele Möglichkeiten, neben den Tabletten etwas gegen den Parkinson zu tun: Physiotherapie und Ergotherapie etwa trainieren die für den Alltag wichtigen Körperfunktionen und die Handmotorik. Für viele Patienten bringt dies große Erleichterung im täglichen Leben. Durch Logopädie kann zudem das Sprechen deutlich verbessert werden und damit die Teilhabe am sozialen Miteinander. Außerdem: Wenn die Medikamente nicht mehr richtig wirken haben wir für viele Patienten die Möglichkeit mit Medikamenten-Pumpen oder einer Hirnschrittmacheroperation die Lebensqualität wieder zu bessern. Bei mir wechseln sich Phasen guter Beweglichkeit schnell mit Unbeweglichkeit ab. Das belastet mich sehr… Prof. Timmermann: Das ständige Hin und Her zwischen guter und schlechter Beweglichkeit ist in der Tat für viele Patienten ein Problem. Ihr Alltag ist dadurch einfach nicht mehr „berechenbar“. Mein Rat: Besprechen Sie mit Ihrem Neurologen die Möglichkeit einer Medikamenten-Umstellung. Wenn das nicht hilft, kann wiederum eine Medikamenten-Pumpe oder auch ein Hirnschrittmacher ein guter Weg sein. Ich komme oft nicht in Gang und bleibe etwa vor einer Türschwelle wie eingefroren „hängen“. Lässt sich das gezielt behandeln? Prof. Dr. Dirk Woitalla: Diese Symptome lassen sich nur selten durch eine Optimierung der Dopamin-enthaltenden Medikation lindern. Neue medikamentöse Ansätze sind allerdings vielversprechend. Es gibt auch nicht-medikamentöse Strategien um, die Symptome zu überwinden. Welcher Weg in Ihrem Fall der Richtige sein kann, sollten Sie gezielt mit Ihrem behandelnden Neurologen besprechen. Oft müssen mehrere Verfahren ausprobiert werden. Die motorischen Einschränkungen habe ich mit den Medikamenten gut im Griff. Aber ich fühle mich häufig niedergeschlagen und antriebslos. Prof. Woitalla: Emotionale Störungen gehören zum Krankheitsbild des Parkinson-Syndroms und müssen spezifisch behandelt werden. Dabei kommen auch Medikamente zum Einsatz, die die Stimmung stabilisieren. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei ein erholsamer Nachtschlaf, der gewissermaßen die Basis für die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden während des Tages darstellt. Unter Umständen kann durch eine gezielte Auswahl der Parkinson-Medikamente eine Besserung herbeigeführt werden. In jedem Fall sollten Sie dies mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen.
Andere Wirkstoffgruppen zielen darauf ab, den Abbau von Dopamin im Gehirn zu hemmen, damit insgesamt mehr Botenstoff über einen längeren Zeitraum zur Verfügung steht. Begleitend sind sogenannte aktivierende Behandlungen sinnvoll, also regelmäßiges und zielführendes körperliches Training, zum Beispiel in Form von Physiotherapie.