Chirotherapie ist nicht nur „ Knacken“
Mit den Händen durchgeführte Behandlungstechniken – Ganzheitliche Betrachtung
Die Manuelle Medizin, früher Chirotherapie genannt, ist eine ärztliche Zusatzbezeichnung. Die mit den Händen (Manus = Hand) ausgeführten Behandlungstechniken am Bewegungsapparat finden Anwendung bei schmerzhaften Funktionsstörungen der Gelenke und Wirbelsäule sowie bei Bewegungsstörungen von Säuglingen. Sie berücksichtigt das Bewegungssystem auch als Wahrnehmungsorgan und geht nicht mehr von mechanistisch geprägten Vorstellungen wie „Einklemmungen“ „Verrenkungen“ oder „Wirbelfehlstellungen“ aus, sondern ihr liegen neurophysiologische Denkmodelle zugrunde. In Gelenken, Muskulatur und Sehnen befinden sich Nervenzellen (Rezeptoren), die ihrerseits wieder Rückmeldungen über Bewegung, Haltung, Position im Raum an andere Muskeln, Gelenke sowie an Funktionssysteme wie Kiefergelenk, Hör- und Gleichgewichtsorgan, Augenkoordination weiterleiten. Nur durch dieses Wechselspiel ist koordinierte Bewegung möglich. Für die Manuelle Medizin gilt, dass sie den Körper als ein komplexes, sich selbst regulierendes System auffasst. Jede manuelle Behandlung ist ein gezielter Eingriff in dieses System, welches eine Reaktion des Systems in eine gewünschte Richtung auslöst. Die Manuelle Medizin befasst sich mit Funktionellen Störungen des Gelenk-Muskel-Wahrnehmungssystems: muskuläre Dysbalancen (z. B. bei Sportlern, Musikern), schmerzhaften Muskel Triggerpunkten, Asymmetrien bei Säuglingen und Kindern, schmerzhafte Fascien, „Blockierungen“, Sehnenentzündungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Kiefergelenksbeschwerden, Tinnitus. Die meisten dieser Erkrankungen mit möglichen Schmerzbeschwerden zeigen sich üblicherweise nicht in der Bildgebung wie Röntgen, CT, MRT und können meist nur mit einer ausführlichen manuellen Diagnostik unter Berücksichtigung von Funktionsketten erkannt werden. Auch Kinder mit Koordinationsstörungen, Babys mit Asymmetrien oder Schädelasymmetrien und „ Schreikinder“ werden mit weichen manuellen Techniken behandelt . Hierzu ist eine weitere Zusatzausbildung notwendig. Aber auch die eigentlichen orthopädischen Erkrankungen wie Gelenkarthrose (Verschleiß), Rückenschmerz bei z. B. Wirbelsäulenverschleiß können bezüglich der Schmerzen sehr positiv beeinflusst werden. Sie stellen Strukturelle Störungen dar, z. B. Knorpel-Knochenverschleiß. Diese Veränderungen sind mit bildgebenden Verfahren meist gut sichtbar. Diese Schäden gehen meist mit funktionellen Störungen einher. Durch die manuelle Behandlung tritt häufig eine deutliche Schmerzreduktion, ein Ausgleich von Dysbalancen, eine Verbesserung von Gelenkfunktionen ein, was sich positiv auf die eigentliche orthopädische Erkrankung auswirkt. Oft kann man eine notwendig erscheinende Operation verhindern oder hinauszögern. In der Manuellen Medizin werden funktionelle Verkettungen berücksichtigt, z.B. wird bei einer Kniearthrose nicht nur das Knie untersucht und behandelt, sondern alle dazu gehörigen Muskelketten, fasciale Verbindungen zum Fuß, zum Becken, Hüfte, Wirbelsäule. Bei Kopfschmerzen, Schwindel, Gesichtsschmerz müssen z. B. die oberen Halswirbel (Atlas = 1. Halswirbel) deren mit vielen Nerven durchsetzten oberen Nackenmuskeln und das Kiefersystem in die Diagnostik und Therapie mit einbezogen werden. Die manuelle Medizin berücksichtigt Diagnosen aus unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen. Deshalb wird in der Manuellen Medizin zumeist die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Fachkollegen wie HNO Ärzten, Zahnärzten, Kieferorthopäden, Orthopäden, Kinderärzten, Allgemeinärzten und therapeutischen Berufen wie Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten, Osteopathen, Hebammen praktiziert.
Welche Erkrankungen werden behandelt?