Rechtsprechung hat Richtschnur erarbeitet
Anrechnung von Prämien auf den Mindestlohn – Einzelfall Arbeitsrechtler überlassen
Urteil des BAG vom 25. Mai 2016 In seinem ersten Urteil zu einer Mindestlohnproblematik hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat geleisteten Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) Erfüllungswirkung zukommt, zumindest wenn sie wie die Vergütung monatlich gezahlt werden. Bei der Berechnung, ob dem Mindestlohngesetz (MiLoG) Genüge getan ist, sind derartige Zahlungen also zu berücksichtigen. Es handele sich bei den Sonderzahlungen um Arbeitsentgelt für die normale Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Neben den Sonderzahlungen waren allerdings auch Nachtarbeitszuschläge Gegenstand des Verfahrens vor dem BAG. Insoweit entschied das BAG gegenteilig, nämlich dass die Nachtarbeitszuschläge nicht in die Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen sind. Nachtarbeitszuschläge seien nicht Gegenleistung für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und können damit nicht den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers erfüllen. Vielmehr beruhen die Zahlungen auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hatte in einem aktuellen Verfahren darüber zu entscheiden, ob eine tarifvertragliche Anwesenheitsprämie bei der Berechnung des gesetzlichen Mindestlohns zu berücksichtigen ist. Das Gericht hielt die von dem Arbeitgeber vorgenommene Anrechnung der Anwesenheitsprämie für rechtens. Zur Begründung führte das Gericht an, Zulagen seien nicht anrechenbar, wenn damit zusätzlich zur Normalleistung erbrachte Leistungen des Arbeitnehmers vergütet werden. Dagegen besteht eine Anrechenbarkeit von Zulagen, die auf die Abgeltung der Normalleistung des Arbeitnehmers abstellen. Mit der Anwesenheitsprämie solle nicht die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bestraft, sondern die tatsächlich geleistete Arbeit entlohnt werden. Sie sei ebenso wie der Stundenlohn eine unmittelbare Gegenleistung für die geleistete Arbeit. Somit honoriere die Prämie keine Sonderleistung des Arbeitnehmers. Der Mindestlohn solle nach dem Willen des Gesetzgebers absichern, dass der Arbeitnehmer eine angemessene Gegenleistung für die erbrachte Arbeit erhält. Im Gegensatz zum Nachtarbeitszuschlag verfolge die Anwesenheitsprämie keinen besonderen Zweck.
Urteil des LAG Mecklenburg- Vorpommern vom 22. November 2016
Fazit: Die Rechtsprechung hat mit den dargestellten Urteilen eine Richtschnur zur Beurteilung der Frage, ob Vergütungsbestandteile bei der Berechnung des Mindestlohns zu berücksichtigen sind, erarbeitet. Insbesondere wegen des gerichtlichen Hinweises auf gesetzliche Regelungen, die einen besonderen Zweck einer Vergütungszahlung beschreiben, sollte die Beurteilung unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung im Einzelfall einem kompetenten Arbeitsrechtler überlassen werden.