Gesetzgeber kann noch Rückwirkung anordnen
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 Teile des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts als mit dem Grundgesetz unvereinbar angesehen und den Gesetzgeber zur Änderung aufgefordert. Das Bundeskabinett hat als Reaktion darauf am 8. Juli+ 2015 einen Gesetzentwurf zur Anpassung des Erbschaft-und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des BVerfG beschlossen, der bezüglich der Besteuerung von Betriebsvermögen einige Verschärfungen beinhaltet. Begünstigtes Vermögen Das bisherige Recht sieht eine Verschonung vor, wenn das nicht für den Unternehmenszweck erforderliche Vermögen (sogenanntes Verwaltungsvermögen) einen Anteil von maximal 50 Prozent erreicht. Bei Beteiligungen an anderen Gesellschaften konnte dieser Anteil sogar noch aufgestockt werden. Verschonungsregelungen Wie im bisher geltenden Recht wird das begünstigte Vermögen nach Wahl des Erwerbers zu 85 Prozent oder zu 100 Prozent von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit. Kleine Unternehmen Von der Lohnsummenregelung waren bislang Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten ausgenommen. Diese haben die Begünstigung erhalten, ohne dass sie die Einhaltung der Lohnsumme nachweisen mussten. Nunmehr sollen die Anforderungen an die Lohnsummenregelung in gestaffelter Weise auch für kleinere Unternehmen gelten: Große Betriebsvermögen Bei einem begünstigten Vermögen über 26 Mio. € (sog. Prüfschwelle) besteht ein Wahlrecht zwischen einem besonderen Verschonungsabschlag und einer Einzelbedarfsprüfung. Bei Familienunternehmen mit gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen wird die Prüfschwelle auf 52 Mio. € angehoben. Inkrafttreten Nach dem Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass die Neuregelung einen Tag nach ihrer Verkündung in Kraft tritt. Es besteht für den Gesetzgeber allerdings durchaus die Möglichkeit, insoweit noch eine Änderung vorzunehmen und eine Rückwirkung, maximal zum 18. Dezember 2014, anzuordnen. In der Fachwelt geht man zurzeit davon aus, dass die Änderungen wohl zum Jahresende in Kraft treten werden. Autor dieses Beitrags: Dr. Ulf Künnemann ist Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Steuerrecht sowie Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht mit den Tätigkeitsschwerpunkten Erbrecht, Gesellschaftsrecht und Unternehmensnachfolge, mit Kanzlei in Oldenburg und Westerstede, Telefon: 0441/36 16 26 00 und 04488/520 41 10, E-Mail: mail@ra-kuennemann.de .
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass zukünftig nur das sogenannte begünstigte Vermögen verschont werden kann. Begünstigt ist nur noch Vermögen, das überwiegend seinem Hauptzweck nach einer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient.
Bei der Einzelbedarfsprüfung muss der Erwerber nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld aus sonstigem bei ihm vorhandenen Vermögen oder erhaltenem nicht begünstigtem Vermögen zu begleichen. Soweit das Vermögen nicht ausreicht, um die Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu bezahlen, wird die Steuer erlassen.
Anstelle der Einzelbedarfsprüfung kann der Erwerber auch eine pauschale Begünstigung wählen, bei der sich der Verschonungsabschlag von 85 Prozent bzw. 100 Prozent je nach Höhe des Vermögens schrittweise reduziert. Ab 116 Mio. € bzw. 142 Mio. € (bei bestimmten gesellschaftsvertraglichen Beschränkungen) gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag von 20 Prozent (bei einer Behaltensfrist von fünf Jahren) bzw. 35 Prozent (bei einer Behaltensfrist von sieben Jahren).
Die angegebenen Werte mögen auf den ersten Blick recht hoch erscheinen. Hierbei ist aber zu beachten, dass aufgrund der Besonderheiten des erbschaft- und schenkungsteuerlichen Bewertungsverfahrens unternehmerisches Vermögen regelmäßig höher angesetzt wird, als es nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen der Fall wäre.
Wer im Hinblick auf eine Verschärfung der Rechtslage unternehmerisches Vermögen im Wege vorweggenommener Erbfolge übertragen möchte, sollte damit allerdings nicht allzu lange warten.