Der Streit um das Impfen
Darf ein Elternteil im Falle der Trennung die gemeinsamen Kinder gegen den Willen des anderen Elternteils impfen lassen?
Bei der Frage des Impfens scheiden sich die Geister. Es gibt strikte Impfgegner, aber auch ebenso strikte Befürworter. Was ist nun, wenn Eltern zwar das gemeinsame Sorgerecht haben, aber voneinander getrennt leben oder geschieden sind, der eine Elternteil die gemeinsamen Kinder impfen lassen möchte, der andere aber aus verschiedenen Gründen nicht? Wer darf was? Mit dieser Frage hat sich das Familiengericht Darmstadt in einem Beschluss vom 11. Juni 2015 unter dem Aktenzeichen 50 F 29/15 SO auseinandergesetzt. Es ging um einen Fall, in dem die Eltern voneinander getrennt lebten und das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter hatte. Die Mutter nahm sämtliche Alltagsbelange des Kindes wahr, unter anderem auch die ärztlichen U-Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt. Bei einer dieser Untersuchungen riet der Kinderarzt dazu, das Kind nach den Empfehlungen der ständigen Impfkommission impfen zu lassen. Die Mutter teilte dies dem Vater mit, der seine Zustimmung zu den Impfungen aber strikt verweigerte. Daraufhin beantragte die Mutter beim zuständigen Familiengericht die Feststellung, dass sie die Impfungen durchführen lassen darf. Das Gericht gab der Mutter Recht. Es begründete dies damit, dass es sich bei der Frage, ob Impfungen durchgeführt werden oder nicht, um eine Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens handelt. Die Impffrage sei Teil der Vorsorgeuntersuchungen, diese wiederum seien Teil der Alltagssorge. Hingegen nicht handele es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Es sei bereits nicht möglich eine Abgrenzung zwischen komplizierten und unkomplizierten Krankheiten zu treffen. Auch Routineuntersuchungen könnten zu Komplikationen und Nebenwirkungen führen. Zudem hätte die Durchführung einer Impfung bzw. das Unterlassen des Impfens unmittelbare Auswirkungen auf den Alltag der Kinder und den betreuenden Elternteil. Die Frage des Nichtimpfens hingegen beurteilte das Gericht als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, da die Folgen gegebenenfalls derart gravierend seien, dass sie nicht mehr unter den Begriff des „Alltäglichen“ fallen würden. Das bedeutet also, dass laut Entscheidung des Familiengerichts Darmstadt in dem Fall, in dem Eltern zwar das gemeinsame Sorgerecht haben, aber voneinander getrennt leben, derjenige, der die Kinder betreut, gemäß § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB selbstständig und allein darüber entscheiden kann, dass die gemeinsamen Kinder geimpft werden – ggfs. auch gegen den Willen des anderen Ehegatten.