Arbeitsverhältnisse an der Kette
In einem aktuellen Urteil vom 29. April 2015 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) erneut über die Wirksamkeit eines Arbeitsverhältnisses mit Kettenbefristungen entschieden. Als Kettenbefristungen werden befristete Arbeitsverhältnisse bezeichnet, die unmittelbar nacheinander abgeschlossen werden. Der aktuelle Fall Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der mehr als 15 Jahre aufgrund von zehn befristeten Arbeitsverträgen als stellvertretender Küchenleiter bei einem städtischen Alten- und Pflegeheim tätig war. Er vertrat jeweils die stellvertretende Küchenleiterin, die aufgrund dreier Geburten, schwangerschaftsbedingter Erkrankungen, Mutterschutz, Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit und Sonderurlaub ausfiel. Die Vertragslaufzeiten der befristet abgeschlossenen Verträge entsprachen dabei dem vom Arbeitgeber prognostizierten Arbeitsausfall der zu vertretenden Küchenleiterin. Die Entscheidung Das BAG folgte mit seinem Urteil den Auffassungen der Vorinstanzen und wies die Klage ab. Bei der rechtlichen Beurteilung ist zunächst zwischen den Möglichkeiten, die das einschlägige Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vorsieht, zu unterscheiden. Eine Befristung ohne Sachgrund, die lediglich bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren zulässig ist, liegt hier nicht vor. Vielmehr war für die Vertretung der Küchenleiterin jeweils ein Sachgrund angegeben. Rechtsmissbrauch Eine Unwirksamkeit der Befristung hätte sich nur im Rahmen einer Missbrauchskontrolle ergeben können. Insoweit lagen zwar Anhaltspunkte für einen Missbrauch durch die Vertragslaufzeit von 15 Jahren und die hintereinander geschlossen mehr als zehn befristeten Verträge vor. Doch ist die Annahme eines Missbrauchsfalls unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls widerlegt worden. Denn gerade zur Betreuung von Kindern können lange Ausfallzeiten entstehen, die einen ebenso langen vorübergehenden Vertretungsbedarf auslösen. Die Verlängerung der befristeten Arbeitsverträge war daher zur Deckung dieses Bedarfs notwendig. Fazit Grundsätzlich sprechen zwar Verlängerungen von befristeten Arbeitsverträgen in einer zweistelligen Anzahl über einen Zeitraum von mehreren Jahren für eine rechtsmissbräuchliche Verwendung der Befristungsmöglichkeit. Doch muss in jedem Einzelfall anhand sämtlicher Umstände eine genaue Prüfung vollzogen werden. Zu diesem Zweck ist die Hinzuziehung eines Fachanwalts für Arbeitsrecht zu empfehlen. Autor: Dr. Jan-Freerk Müller aus der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Müller & Caspers in Westerstede. Der 50-jährige Rechtsanwalt ist auch Fachanwalt für Arbeitsrecht mit den weiteren Tätigkeitsschwerpunkten Erbrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht. E-Mail: kanzlei@mueller-caspers.de ; Telefon: 04488 / 84 810.
Im Juli 2012 hatte das BAG zuletzt geurteilt, dass „sehr lange“ Befristungsketten im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein können, was zur Unwirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung führt. Die Rechtsfolge ist ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer regelmäßig Kündigungsschutz genießt, wenn der Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Damit wurde deutlich, dass eine „endlose“ Befristung von Arbeitsverträgen nicht zulässig ist, da ansonsten der gesetzliche Kündigungsschutz umgangen werden würde. In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt wurde eine Kölner Justizangestellte über elf Jahre hinweg aufgrund von insgesamt 13 Zeitverträgen befristet beschäftigt. Der Arbeitgeber konnte den sich aus diesem Sachverhalt ergebenen Verdacht des Rechtsmissbrauchs nicht entkräften.
Nach Erhebung einer Befristungskontrollklage durch den Arbeitnehmer berief sich der Arbeitgeber darauf, dass als Sachgrund für die letzte Befristung ein vorübergehender Vertretungsbedarf bestanden hätte. Denn für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2013 hatte die stellvertretende Küchenleiterin tariflichen Sonderurlaub für die Betreuung ihrer drei Kinder beantragt.
Aus der Möglichkeit der Sachgrundbefristung ergibt sich, dass Befristungen mit Sachgrund grundsätzlich beliebig oft hintereinander geschaltet werden können. Bei der Prüfung der Wirksamkeit der Befristung ist lediglich entscheidend, ob der Arbeitgeber für die jeweils letzte befristete Verlängerung einen sachlichen Grund hat. Dieses sah das BAG als gegeben an, da die vertretene Arbeitnehmerin eine Freistellung zur Betreuung ihrer drei Kinder beantragt hatte und auch mit ihrer Rückkehr zu rechnen war.